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Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels.
© dpa/ Wolfgang Kumm

Bericht des Wehrbeauftragten: Bartels fordert schnellere Materialbeschaffung bei Bundeswehr

Oft dauert es bei der Bundeswehr Jahre, die simpelsten Ausrüstungsgegenstände anzuschaffen. Hans-Peter Bartels will Defizite nach dem „Ikea-Prinzip“ ausräumen.

Hans-Peter Bartels legt der Bundeswehr das „Ikea-Prinzip“ ans Herz: „aussuchen, bezahlen und mitnehmen.“ Es geht da um ein Ärgernis, das Bartels als Wehrbeauftragter des Bundestages in jedem seiner Jahresberichte beklagen musste. Bei der Truppe dauert es oft Jahre, die simpelsten Ausrüstungsgegenstände anzuschaffen. Rucksäcke, Stiefel, Splitterschutzbrillen – die Liste ist lang. Der Mangel ist nach Bartels’ Überzeugung selbstgemacht. In einem umständlichen Beschaffungsprozess werde alles und jedes neu erfunden, perfektioniert und zertifiziert. Doch der Aufwand, der für neue Kampfpanzer sinnvoll sei, sei für den Großteil der Ausrüstung völlig überflüssig: „Man kann es auch einfach kaufen.“

Die Methode Möbelhaus passt zu dem Schwerpunkt, den sich der Ombudsmann der Soldaten für seinen Jahresbericht 2019 gewählt hat. Bartels plädiert am Dienstag dringend für eine innere Reform – weg vom alten Trott der Hierarchien und Vorschriften, hin zu einer Kultur der Eigenverantwortung.

Die Grundlagen dafür, betont der Wehrbeauftragte, habe schon die vorige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gelegt. In einem groß angelegten Workshop-Projekt zur Inneren Führung wurden 770 Soldatinnen und Soldaten von Inspekteuren befragt, was ihnen das Leben schwer macht. Bisher gibt es nur einen vorläufigen Abschlussbericht; der Wehrbericht zitiert daraus, nicht ohne bissig festzuhalten, dass die Existenz des Dokuments vom Ministerium bestritten werde. Die Quintessenz: Vom einfachen Gefreiten bis zum Inspekteur einer Teilstreitkraft wünschen sich alle weniger Vorschriften und Zentralisierung, dafür mehr Eigenverantwortung und die Freiheit, vom Auftrag her zu planen und zu denken.

Davon ist die Realität oft weit entfernt. Bartels zitiert aus dem Schreiben eines Luftwaffen-Stabs, der sich beschwert, dass die strikte Befolgung bürokratischer Vorschriften längst wichtiger genommen werde als das eigentliche Ziel, Piloten und Flugzeuge einsatzbereit zu halten. „Ohne innere Reform drohen die Trendwenden zu scheitern“, warnt der Wehrbeauftragte. Nach den Trendwenden bei Material, Personal und Finanzen brauche es eine „Trendwende Mentalität“. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) habe als neue Ministerin die Freiheit, neue Entscheidungen zu treffen.

Zahl gemeldeter sexueller Übergriffe und Belästigungen gestiegen

Was diese Trendwenden aus der Ära von der Leyen angeht, fällt die Bilanz gemischt aus. Die Lage beim Personal bleibt schlecht und mit etwa 20.000 Neueinstellungen weit hinter dem Plan. Beim Großgerät hatte das Ministerium selbst massive Probleme eingeräumt; am schlechtesten, urteilt Bartels, stehe es im Moment um die Marine. Einem starken Aufwuchs der Finanzen steht gegenüber, dass 1,1 Milliarden Euro zum Jahresende nicht ausgegeben waren, weil große Rüstungsprojekte sich verzögerten. Bartels bekräftigt seine alte Empfehlung, immer eine Liste mit rasch umsetzbaren kleineren Beschaffungsvorhaben, etwa an Munition, in der Schublade zu haben.

Auch andere alte Probleme bleiben der Truppe erhalten. Die Zahl der gemeldeten sexuellen Übergriffe und Belästigungen stieg im letzten Jahr von 288 auf 345. Hier wie beim Thema Rechtsextremismus ermutigt Bartels die Soldatinnen und Soldaten, Vorfälle zu melden: das sei „eine Frage der Ehre“. Dass der Chef des Militärischen Abschirmdiensts (MAD) unlängst offen über Rechtsextremismus in der Truppe berichtet hatte, rät Bartels zur Regel zu machen. Die Zahlen in seinem Bericht – 45 Entlassungen, 363 Verdachtsfälle – stammen vom MAD.

Bleibt noch Bartels ganz eigenes Ikea-Problem: Der Wehrbeauftragte hat neuerdings vier Stühle im Amt, die er gar nicht bestellt hat. Im Haushaltsausschuss sind ihm zusätzlich zu seinen 55 Planstellen vier weitere hoch dotierte Posten zugeschlagen worden, die niemand beantragt hatte, am wenigsten Bartels selbst. Auf das Mysterium machen sich viele einen einfachen Reim: Johannes Kahrs, SPD-Chefhaushälter, strebe die Nachfolge des Parteifreunds an und habe sich schon mal den Zuwachs gesichert.

Bartels Amtszeit endet im Mai. Unionspolitiker haben Ansprüche angemeldet. Doch dass weiter ein Sozialdemokrat das auf fünf Jahre vergebene Amt besetzt, gehört zu den informellen Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag. „Ich wäre bereit, die Arbeit weiter zu führen“, sagt Bartels, „aber das entscheidet die Koalition.“ Und nein, mit Kahrs mal direkt geredet habe er nicht. „Ich höre dieselben Gerüchte, die Sie hören.“ Was mit den vier Posten passiert? Er werde sie jedenfalls nicht besetzen.

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