Paragraf 219a: Barley will eine Regelung, bei der Ärzte nicht verurteilt werden können
Die neue Justizministerin will beim Thema Werbeverbot für Abtreibungen die Kanzlerin beim Wort nehmen, die eine Lösung versprochen habe, die im Interesse aller ist.
Im Koalitionsstreit um eine Neuordnung des Paragraphen 219a zum Werbeverbot bei Abtreibungen will die neue Bundesjustizministerin Katarina Barley Kanzlerin Merkel persönlich in die Pflicht nehmen. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" sagt Barley: „Ich nehme die Kanzlerin da beim Wort, die vor unserer Fraktion klipp und klar eine Lösung versprochen hat, die im Interesse aller ist. Da kam ausdrücklich die Nachfrage: In wessen Interesse? Und die Antwort war: Im Interesse der Frauen und im Interesse der Ärztinnen und Ärzte.“
Sie wolle eine rechtliche Regelung, bei der eine Verurteilung wie im Fall einer Gießener Ärztin nicht mehr stattfinden könne. „Information ist keine Werbung“, so Barley, die einen Kompromissvorschlag zu dem zwischen CDU, CSU und SPD umstrittenen Thema vorlegen soll.
Sie fühle sich bei der Debatte „teilweise um 20 oder 30 Jahre zurückversetzt“. Ein Schwangerschaftsabbruch sei ein legaler Eingriff, den sich keine Frau leichtmache. „Und für mich ist die Frage: Warum will man es den Frauen in dieser Situation, nachdem sie schon eine verpflichtende Beratung erhalten haben, eigentlich noch schwerer machen? Was spricht dagegen, dass eine Frauenärztin auf der Homepage ihrer Praxis stehen hat, welche Leistungen sie anbietet? Wo ist da das Problem?“, so Barley.
Die Kritik ihres Kabinettskollegen Jens Spahn, es würde vergessen, dass es um den Schutz ungeborenen Lebens geht, weist Barley scharf zurück. Dies sei „die Diskussion um den Paragraphen 218. Die Frage ist geklärt. Die Union kommt dann mit ‚Werbeverbot‘. Es geht nicht um Werbung! Niemand will Werbespots oder die Zehnerkarte für den Schwangerschaftsabbruch.“
Kritik an Islamdebatte
Deutliche Kritik übt Barley auch an der von der CSU geführten Debatte um den Islam in Deutschland. „Dieses Auseinanderdividieren von hier lebenden Muslimen und ‚dem Islam‘ hilft wirklich nicht weiter“, so Barley. „Entscheidend ist unser Wertekanon, und der ist ganz klar das Grundgesetz. Wer sich in diesem Wertekanon bewegt, hat jedes Recht, in Deutschland zugehörig zu sein und auch akzeptiert und respektiert zu werden. Und da ist es völlig egal, welcher Religion diese Person angehört. Im Gegenteil, das Grundgesetz verpflichtet uns dazu, das hintanzustellen.“
Barley kündigt an, sie werde sich wie ihr Vorgänger Heiko Maas in gesellschaftliche Debatten einmischen: „Das ist meine Aufgabe als Justizministerin.“ Das Recht sei nichts Abstraktes. „Ein modernes Recht darf sich von gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen nicht treiben lassen, sondern muss den Rahmen vorgeben“, so Barley.
Als vorrangige Aufgabe sehe sie es an, „den Rechtsstaat zu verteidigen“. Das schließe auch Kritik an anderen europäischen Staaten ein: „Das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen ist historisch bedingt sehr eng, zum Glück, und das sollte es auch bleiben. Aber das heißt eben nicht, dass man problematische Entwicklungen nicht auch benennen und kritisieren darf. Was in Polen, aber auch in Ungarn mit den Verfassungsgerichten und der Justiz geschieht, ist hochproblematisch.“
Gerichte müssten unabhängig sein, „sonst erfüllen sie ihre Funktion in einem Rechtsstaat nicht, und das muss man klar ansprechen“. (Tsp)
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