Euro-Gipfel: Banken entscheiden mit über Schuldenschnitt
Warum sind die Geldinstitute so wichtig, und was wird von ihnen verlangt?
Josef Ackermann sitzt in Brüssel vermutlich mit am Tisch. Nicht in seiner Funktion als Chef der Deutschen Bank, sondern in seiner Rolle als Präsident des Weltbanken-Verbandes IIF. Das Griechenland-Problem macht etlichen Banken Sorgen, auch wenn viele Institute längst einen Schuldenschnitt – gerne auch „Haircut“ genannt – von 50 oder vielleicht sogar 60 Prozent „eingepreist“ haben und damit vorbereitet sind, Griechenland diese Summen zu erlassen. Entsprechende Abschreibungen oder Rückstellungen sind, so heißt es, schon gebildet.
Was verlangt die Politik von den Banken?
Die Banken sollen ihre Risiken stärker absichern. Bis Mitte 2012 soll die sogenannte Kernkapitalquote von sechs auf neun Prozent steigen, das fordern die europäischen Regierungen zur Stärkung der Institute. Diese Quote sagt aus, dass neun Prozent der risikobehafteten Geschäfte der Banken – also unter anderem Kredite an Unternehmen und auch Staaten – durch Kernkapital gegengesichert werden müssen. Durch Rückstellungen, die viele Banken wegen der drohenden Verluste schon vorgenommen haben, wird der Kapitalbedarf hierfür allerdings nicht mehr so hoch ausfallen, wie zunächst erwartet wurde. Hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) im Sommer noch von einer Kapitallücke von mehr als 200 Milliarden Euro gesprochen, ist jetzt die Rede von 100 Milliarden Euro.
Den Banken soll eine Frist von sechs Monaten eingeräumt werden, um sich das Kapital selbst zu beschaffen, bei Aktionären oder neuen Anteilseignern. Sie können die Quote allerdings auch erreichen, indem sie Geschäftsaktivitäten abbauen. Dies wiederum könnte aber, so die Furcht vieler Unternehmen, die Kreditvergabe treffen und letztlich zu einer Kreditklemme führen und damit die Konjunktur belasten. Sollten die Banken ihr Kapital nicht selbst stärken können, droht staatlicher Zwang.
Wieso sollen die Banken ihr Eigenkapital erhöhen?
Das Interesse der Regierungen an starken Banken ist verständlich: Denn sie sind und waren immer die wichtigsten Kreditgeber der Staaten. Weshalb sie bislang die Zeichnung von Staatsanleihen – im Gegensatz zu Krediten und Unternehmensanleihen – auch nicht mit Eigenkapital unterlegen mussten, um im Notfall einen Ausfall kompensieren zu können. Staaten und Banken sind also auf einander angewiesen.
Der Druck auf die deutschen Institute in der aktuellen Debatte ist allerdings weniger groß als auf andere europäische Institute. Für die vor allem muss sich Ackermann in die Bresche werfen. Die Deutsche Bank sitzt noch auf Griechenlandbonds von 900 Millionen Euro, bei der Commerzbank sind es rund drei Milliarden Euro. Bei den Landesbanken zusammen dürften es rund 750 Millionen Euro sein. Das größte Problem steckt bei der FMS Wertmanagement, der „Bad Bank“ der Hypo Real Estate in München. Sie sitzt noch auf griechischen Staatsanleihen im Volumen von 8,8 Milliarden Euro. Allerdings: Das Problem hat hier ohnehin der Steuerzahler. Die HRE gehört zu 100 Prozent dem Bund.
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Unterm Strich jedenfalls ist der Kapitalbedarf, den deutschen Banken brauchen, um auf die geforderte Quote zu kommen, vergleichsweise überschaubar. Von 5,5 Milliarden Euro ist beim Verband öffentlicher Banken die Rede. Die Deutsche Bank hat nach eigenen Angaben die ab Mitte 2012 geforderte Kapitalquote von neun Prozent schon jetzt mit zehn Prozent mehr als erfüllt. Sein Haus sei nie besser aufgestellt gewesen, hatte Bank-Chef Ackermann am Dienstag bei der Vorlage des Zwischenberichts gesagt.
Auch die Europäische Bankenaufsicht EBA hat dem jüngsten Stresstest zufolge angeblich bereits durchblicken lassen, dass den deutschen Banken keine hohen Beträge fehlen.
Warum haben die französischen Banken so große Probleme?
Frankreichs Banken müssten sich in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro rekapitalisieren, kündigte die französische Regierung im Vorfeld des Gipfels schon an. Die Banken reagierten bisher gelassen auf mögliche Entscheidungen zur Anhebung des Schuldenschnitts von 21 auf 50 oder gar 60 Prozent. Die französischen Geldinstitute, bei denen Griechenland etwa 40 Milliarden Euro Schulden hat, glauben, dass sie die Anforderungen ohne staatliche Unterstützung stemmen können.
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„Unsere Banken sind solide und können ihre Reserven aus eigenen Mitteln erhöhen“, erklärte Fréderic Oudéa, Chef der Bank Societé Générale und Präsident des französischen Bankenverbandes FBF. Im Notfall werde man die Aktionäre und nicht den Staat anzapfen, sagte er über die SocGen und gab sich am Tage des Gipfels betont zuversichtlich: „Ich glaube an eine Einigung.“ Bei den Halbjahresergebnissen hatten die französischen Banken im Gegensatz zu anderen europäischen Instituten auf eine Abschreibung von nur 21 Prozent gesetzt. Doch kürzlich haben die drei großen französischen Banken Société Genérale, BNP Paribas und Crédit Agricole unter anderem Sparpläne im Investmentbereich angekündigt, um die Eigenkapitalquote zu steigern.
Eins wollen die französischen Banken, die nicht nur in Griechenland, sondern auch im kriselnden Italien stark engagiert sind, auf keinen Fall: den Eindruck erwecken, dass sie ernsthafte Probleme mit der Schuldenkrise haben. Denn das könnte sich weiter negativ auf ihre Ratings auswirken, die kürzlich schon von den großen Ratingagenturen abgesenkt wurden.
Wie wirkt sich ein Schuldenschnitt auf die griechischen Banken aus?
Die griechischen Banken halten selbst einen Großteil der eigenen Staatsanleihen, wären von einem „Haircut“ also unmittelbar betroffen. Bei einem Schuldenerlass wären viele griechische Banken wohl pleite, da sie nicht über genug Eigenkapital verfügen, um die Verluste auszugleichen. Es ist allerdings nach Einschätzungen von Griechenland-Experten egal, ob es sich dabei um 21, 50 oder 60 Prozent handelt – gestützt werden müssten die Banken in jedem Fall.