Türkei: Bamf lehnt Mehrzahl der Asylanträge von Türken ab
Deutschland kritisiert die Menschenrechtslage, lehnt aber die meisten Asylanträge von Türken ab. Auch Abschiebungen in die Türkei werden weiter vollzogen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte gerade erst auf die vielen Schutzsuchenden aus der Türkei hingewiesen. Allein Hunderte Diplomatenfamilien und Inhaber sogenannter türkischer Dienstpässe seien darunter, hatte er in einem Interview gesagt. Was der Minister nicht erwähnte: Der überwiegende Teil der Asylanträge türkischer Staatsbürger in Deutschland wird abgelehnt. 8547 Asylentscheidungen zur Türkei traf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im laufenden Jahr, 5040 wurden als unbegründet abgelehnt. Zu den Ablehnungsbegründungen wollte sich das Bamf nicht äußern. Jeder Fall werde einzeln geprüft und entschieden, hieß es dort.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt vermutet indes, „dass die aktuellen Gefährdungen in der Türkei bei den Entscheidungen nicht berücksichtigt wurden“, wie er dem Tagesspiegel sagte. „Die Lage verschlechtert sich in einem galoppierenden Tempo.“ Dem müsse Rechnung getragen werden. Der Bundesregierung wirft er mit Blick auf die Asyldaten jedoch vor, die Menschenrechtslage in der Türkei nicht zur Kenntnis zu nehmen. „Wenn die CDU der Türkei in ihrem Wahlprogramm mangelnde Rechtsstaatlichkeit bescheinigt, dann muss dies Konsequenzen haben.“ Die steigende Zahl von Asylanträgen türkischer Staatsangehöriger zeige die zunehmende Repression und Verfolgung in der Türkei, sagt auch der Grünenvorsitzende Cem Özdemir dem Tagesspiegel. Er mahnte: „Bei einer drohenden Verfolgung muss Schutz gewährt werden, wie es unser Asylrecht vorsieht. “ Er erwarte daher, dass das Bamf auch diese Anträge im Einzelfall sehr gründlich prüfe.
Verhindert Flüchtlingsdeal Ausreise verfolgter Türken?
Burkhardt kritisiert nicht nur die hohe Ablehnungsquote bei Asylbewerbern aus der Türkei. Gemessen an der Lage in dem Land sei auch die Zahl der Asylbewerber trotz eines spürbaren Anstiegs weiter niedrig. Laut Bamf beantragten nach der Niederschlagung des Putschversuchs in der Türkei Mitte vergangenen Jahres knapp 8500 türkische Staatsbürger Schutz in Deutschland. In der Türkei wurden seither mehr als 150.000 Staatsbedienstete entlassen, denen Verbindungen zu den mutmaßlichen Putschisten angelastet werden. Tausende Soldaten, Polizisten, Lehrer, Journalisten und Oppositionelle sitzen ohne Anklage im Gefängnis, weil Staatschef Recep Tayyip Erdogan immer neue Verhaftungswellen anordnet. „Angesichts dieses Verfolgungsdrucks müsste die Zahl der Asylsuchenden deutlich höher sein“, sagt Burkhardt. Durch den Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei seien die Fluchtwege aber versperrt.
Doch selbst, wer es nach Deutschland geschafft hat, kann sich längst nicht sicher fühlen, wie die aktuellen Asyldaten belegen. Das Ausländerzentralregister wies zum 31. August insgesamt 6784 türkische Staatsbürger als ausreisepflichtig aus. Einzelne Bundesländer schieben sogar weiter abgelehnte Asylbewerber in die Türkei ab. So schickte das Land Berlin im laufenden Jahr schon vier Türken in ihre Heimat zurück, Nordrhein-Westfalen 20, Sachsen schob zwei Türken ab.