Auf erster Dienstreise als Außenministerin: Baerbock droht Russland im Falle einer Ukraine-Invasion mit Konsequenzen
Die neue deutsche Chefdiplomatin macht ihre Antrittsbesuche in Europa. Gleich zu Beginn verdeutlicht sie die außenpolitischen Prioritäten der Bundesrepublik.
Deutschlands neue Außenministerin Annalena Baerbock hat in Paris mit einer Serie von Antrittsbesuchen in Europa begonnen. Nach einem Treffen mit ihrem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian äußerte sie sich zum sich zuspitzenden Ukraine-Konflikt und drohte dabei Russland im Falle einer Eskalation mit schweren Folgen.
„Russland würde einen hohen politischen und vor allem wirtschaftlichen Preis für eine erneute Verletzung der ukrainischen Staatlichkeit zahlen“, sagte die Grünen-Politikerin. Eine militärische Eskalation müsse vermieden werden. Lösungen könne man nur auf einem diplomatischen Weg finden, sagte Baerbock.
Sie und Le Drian seien bereit, sich dabei persönlich tief gehend zu engagieren, so Baerbock. Frankreich und Deutschland vermitteln in dem seit 2014 währenden Konflikt im Rahmen des Normandie-Formats zwischen der Ukraine und Russland. Ihr 2015 in Minsk vereinbarter Friedensplan liegt aber auf Eis.
Bei ihrem Treffen mit Le Drian blieb Baerbock bei der Ablehnung der französischen Pläne zur Einstufung von Atomkraft als „grüner“ Energie. „Dass wir zu der Frage Nuklear unterschiedliche Positionen haben, das ist ja bekannt“, sagte sie.
Baerbock bemühte sich trotz weiter bestehender Differenzen in Einzelfragen darum, den Eindruck einer engen und intensiven Partnerschaft mit Paris zu hinterlassen. Sie duzte ihren Amtskollegen und bedankte sie „für diesen wirklich warmen und freundschaftlichen Empfang“. Sie sagte: „Was gibt es schöneres als für eine Außenministerin am ersten Morgen im neuen Amt in Paris zu sein.“
Europa wäre schwächer, wenn Deutschland nicht in die Beziehungen zwischen Paris und Berlin investiere. Mit Blick auf die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Frankreich Anfang 2022 sagte Baerbock, die von Paris initiierte Konferenz zur Zukunft Europas werde ein wichtiger Meilenstein für die EU sein.
Nach dem Treffen mit Le Drian reiste Baerbock mit dem Zug nach Brüssel weiter. Dort hob sie die Bedeutung eines geeinten Europas für den Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hervor. Sie sei nach Brüssel gekommen, „um ein deutliches Zeichen dafür zu setzen, dass eine starke deutsche Außenpolitik ein starkes Europa braucht“, sagte sie vor einem Treffen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.
Im Anschluss wollte sich Baerbock auch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und dem US-Klimabeauftragen John Kerry treffen.
„Europa ist der Dreh- und Angelpunkt für unsere Außenpolitik“
Vor dem Antritt ihrer ersten Reise als deutsche Chefdiplomatin hatte Baerbock die Verlässlichkeit der Außenpolitik der neuen Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP betont.
„Auf die neue Bundesregierung können sich unsere Partner in der Europäischen Union verlassen, vom ersten Tag an. Europa ist der Dreh- und Angelpunkt für unsere Außenpolitik“, sagte Baerbock.
Voraussetzung für ein starkes und geeintes Europa sei, „dass wir als EU unsere Grundwerte ernst nehmen und die Regeln, die wir uns gemeinsam gegeben haben, auch durchsetzen“, mahnte sie. „Gerade bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten können wir nicht zulassen, dass Europas Fundamente wegbröckeln“, sagte sie, ohne Länder wie Ungarn oder Polen zu nennen.
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Am Freitag fliegt Baerbock nach Warschau zu einem Treffen mit ihrem polnischen Kollegen Zbigniew Rau.
Konflikt um die Ukraine ein beherrschendes Thema
Baerbock beginnt ihre Gespräche auf internationalem Parkett vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Ukraine-Krise. US-Präsident Joe Biden und sein russischer Kollege Wladimir Putin hatten bei ihrem etwa zweistündigen Videogipfel am Dienstag keine Entspannung erzielt. Die USA werfen Russland seit Wochen einen Truppenaufmarsch unweit der Grenze zur Ukraine vor. Befürchtet wird im Westen eine russische Invasion der Ex-Sowjetrepublik. Russland weist das zurück und wirft der Ukraine vor, mehr als 120.000 Soldaten an die Linie zu den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten verlegt zu haben.
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In der EU gibt es seit Jahren Streit mit den Regierungen von Ungarn und Polen, weil sie sich ausweislich etlicher Gerichtsurteile nicht an EU-Recht halten. Kritiker werfen Warschau und Budapest vor, die Justiz entgegen der EU-Standards zu beeinflussen. So baut Polens nationalkonservative PiS-Regierung das Justizsystem um. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet.
Angesichts von Baerbocks klaren Worten zur Rechtsstaatlichkeit könnte vor allem der Besuch in Polen heikel werden. Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise gerät zudem auch die neue Bundesregierung wegen der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 unter Druck aus den USA. Auch aus Warschau dürften die Forderungen lauter werden, die Gasröhre zwischen Russland und Deutschland nicht in Betrieb zu nehmen.
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Vor allem gehe es ihr bei den Antrittsbesuchen darum, den engsten Partnern zuzuhören, betonte Baerbock zu Beginn ihrer Reise. „Wir werden unsere Vorstellungen und Interessen nicht über die Köpfe unserer Nachbarn hinweg verfolgen, und schon gar nicht auf deren Kosten.“ Ob das im Zusammenhang mit Nord Stream 2 als Zeichen in Richtung Warschau gedacht war?
Sie werde vom ersten Tag an der internationalen Klimapolitik „den Platz geben, den sie auf der diplomatischen Agenda verdient: Ganz oben“, sagte Baerbock weiter. Die wichtigste Aufgabe von Diplomatie sei es, Krisen vorzubeugen, einzudämmen und bestmöglichst zu lösen. „Und keine Krise ist bedrohlicher für die Zukunft der Menschheit als die Klimakrise.“ Mit den europäischen Partnern wolle sie auch darüber sprechen, „wie wir unsere Klimapartnerschaften mit anderen Regionen der Welt stärken“.
Scholz betont Einvernehmen mit Baerbock
Bundeskanzler Scholz hat betont, dass er die Außenpolitik seiner Regierung im Einvernehmen mit seiner Außenministerin Baerbock gestalten möchte. „Die Regierung arbeitet gemeinsam für unser Land, und wir werden auch gemeinsam agieren, auch in den Fragen der Außenpolitik oder der Europapolitik“, sagte er am Mittwoch in einem ARD-Interview auf die Frage, ob sich Spannungen mit Baerbock über den außenpolitischen Kurs anbahnten. Die Grundlagen für die gemeinsame Außenpolitik stünden im Koalitionsvertrag. „Und deshalb machen solche Spekulationen auch nur wenig Sinn.“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte zuvor im Deutschlandfunk gesagt, dass die deutsche Außenpolitik „insbesondere im Kanzleramt“ gesteuert werde. Dieser Einschätzung widersprach der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour, der sich um den Parteivorsitz bewirbt, auf Twitter ausdrücklich: „Das Auswärtige Amt so herabzusetzen ist die überkommene „Koch-Kellner-Logik“. Wir sollten auf der Grundlage des Koalitionsvertrags Vertrauen aufbauen, nicht Vorgärten pflegen.“ (dpa)