Bundespräsidentenwahl in Österreich: Auszählung der Briefwahlstimmen hat begonnen
Das Votum von 744.000 Briefwählern wird die Stichwahl zwischen FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen entscheiden. Der ORF tippt auf einen Vorteil von 2888 Voten für den Grünen.
In Österreich wurden am Montag bei der Bundespräsidentenwahl die entscheidenden Briefwahlstimmen ausgezählt. Mit einer Bekanntgabe des Ergebnisses wird am späten Nachmittag gerechnet. 744.000 der 6,4 Millionen Wahlberechtigten haben per Brief abgestimmt.
Der Ausgang ist völlig offen. Bei der Stichwahl am Sonntag kam FPÖ-Kandidat Norbert Hofer auf knapp 52 Prozent. Grünen-Kandidat Alexander Van der Bellen lag mit 48 Prozent der Stimmen nur knapp hinter ihm.
Der ORF hält es dennoch für möglich, dass am Ende Van der Bellen neuer Bundespräsident werden könnte - mit 2888 Stimmen Vorsprung. Das liegt an der extrem hohen Zahl von Briefwählern, die vorab Wahlkarten beantragt hatten - mehr als 14 Prozent der 6,4 Millionen Wahlberechtigten. Das vomm ORF beauftragte Institut Sora davon aus, dass Van der Bellen bei den Briefwählern auf über 60 Prozent kommen könnte.
Hofer: "Wir werden bis morgen warten müssen"
Entsprechend zurückhaltend hatten sich die beiden "50-Prozent-Bundespräsidenten" (O-Ton ORF) am Sonntagabend in einem gemeinsamen Fernsehinterview geäußert. Van de Bellen zollte Hofer "Respekt", der Freiheitliche antwortete, er könne "das nur zurückgeben". Beide verdeutlichen, dass es in der nächsten Zeit darum gehen müsse, ein gespaltenes Land wieder zu einen. Wie das gehen soll, ließen sie offen.
Fest steht nur das: "Wir werden bis morgen warten müssen", wie Hofer sagte. Dabei hätten sie eigentlich "gut schlafen" wollen. FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache wertete das Ergebnis kurz nach 17 Uhr im Gespräch mit dem ORF schon als "eine politische Zeitenwende im positiven Sinn".
Erster Durchgang führte zu politischem Erdbeben
Hofer und Van der Bellen hatten beim ersten Durchgang am 24. April am besten abgeschnitten und dabei auch die Kandidaten der Volksparteien SPÖ und ÖVP hinter sich gelassen. Der Rechtspopulist Hofer lag damals etwa 14 Prozentpunkte vor Van der Bellen. SPÖ-Kanzler Werner Faymann war in der Folge zurückgetreten. Sein Nachfolger wurde vor wenigen Tagen Österreichs bisheriger Bahn-Chef Christian Kern.
Beide Kandidaten hatten sich in einem bisher beispiellosen Lager-Wahlkampf um die Nachfolge des im Juli ausscheidenden Bundespräsidenten Heinz Fischer beworben. Erstmals waren in der Stichwahl keine Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP vertreten.
Die Wahl stieß international auf großes Interesse. Das Erstarken der Rechtspopulisten auch in anderen Ländern wird von EU und vielen Regierungen mit Sorge beobachtet. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich mit klaren Worten in den österreichischen Präsidentschafts-Wahlkampf eingemischt und vor Hofer gewarnt.
Das neue Staatsoberhaupt wird am 8. Juli vereidigt. Die Amtsdauer beträgt sechs Jahre. Der Bundespräsident darf sich laut Verfassung einmal zur Wiederwahl stellen.
Viele Wähler wollten den jeweiligen Gegenkandidaten verhindern
In einer ersten Analyse zu den Wahlmotiven stellte sich heraus, dass weniger die echte Überzeugung für einen Kandidaten eine Rolle spielte. Vielmehr machten viele Wähler ihr Kreuz, um den jeweiligen Gegenkandidaten zu verhindern. 40 Prozent der Wähler von Van der Bellen gaben an, „gegen Rechts“ gewählt zu haben, um Hofer zu verhindern, sagte der Meinungsforscher Peter Hajek. „Alle anderen Motive sind da deutlich in den Hintergrund getreten.“ So habe das Flüchtlingsthema bei nur zwölf Prozent der Hofer-Wähler eine wichtige Rolle gespielt.
Hofer konnte laut Analysen vor allem bei den Wählern im ländlichen Raum punkten, der 72-jährige Van der Bellen hatte die meisten Anhänger in den größeren Städten. (mit dpa und AFP)
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