Ehrgeizige Ziele des EU-Parlaments: Ausstoß von Treibhausgasen soll bis 2030 um 60 Prozent sinken
Das EU-Parlament hat sich für mehr Tempo beim Klimaschutz ausgesprochen – unerwartet und knapp. Amtlich ist die Entscheidung damit allerdings noch nicht.
Das Europa-Parlament will strengere Klimaziele durchsetzen. Bis 2030 soll die EU 60 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Die bisherige EU-Umweltgesetzgebung zielt darauf ab, den Ausstoß bis dahin um 40 Prozent zu senken.
Die Entscheidung für 60 Prozent fiel unerwartet. Die größte Fraktion im Europa-Parlament der Christdemokraten wurde von Grünen und Teilen von Sozialdemokraten und Liberalen überstimmt. Die Entscheidung war knapp: 352 Abgeordnete stimmten für 60 Prozent, 326 dagegen, es gab 18 Enthaltungen.
Ist das neue Klimaziel der EU damit amtlich?
Nein. Das Parlament ist nur einer der beiden EU-Gesetzgeber. Der zweite Co-Gesetzgeber ist der EU-Ministerrat, in dem die 27 Mitgliedstaaten über ihre Fachminister vertreten sind. Sie haben ihre Position noch nicht festgelegt. Die deutsche Ratspräsidentschaft plant, die Entscheidung durch die Runde der 27 Umweltminister im Ministerrat treffen zu lassen.
Hier zeichnet sich eine Mehrheit für 55 Prozent ab. Es kann aber auch sein, dass die Staats- und Regierungschefs die Entscheidung an sich ziehen. Dann würde die Entscheidung bei ihrem Gipfel im Dezember fallen. Wie auch immer: Anschließend müssen sich die Verhandlungsführer vom Parlament und von den Mitgliedstaaten auf eine Zahl einigen.
Was hat das Parlament genau beschlossen?
Das Parlament hat beschlossen, dass der Ausstoß bis 2030 um 60 Prozent sinken soll. Dabei darf nicht verrechnet werden, wenn etwa die Landwirtschaft der Atmosphäre CO2 entzieht. Das Ziel ist also noch ambitionierter, weil der Beitrag der Landwirtschaft, die im Zuge des Green Deal auf klimaschonendere Methoden umstellen soll, nicht einfließen würde.
Beschlossen wurde zudem, dass die EU einen Klima-Rat aus 15 unabhängigen Wissenschaftlern bekommen soll, der die Klima-Vorschläge der Kommission bewertet. Außerdem soll die Kommission bis Ende 2021 ein CO2-Budget vorlegen, das beschreibt, wie viel Tonnen an Emissionen noch zulässig sind, um das angestrebte Ziel von Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 nicht zu gefährden.
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Das Parlament will zudem Subventionen für fossile Brennstoffe verbieten. Davon wären etwa Steuerprivilegien für Flugbenzin oder Dienstwagen betroffen. Außerdem soll es künftig ein einklagbares Recht auf Klimaschutz geben. Bürger und Umweltverbände könnten klagen, wenn die Energie- und Klimapläne der Mitgliedstaaten den Klimaschutzpfad nicht einhalten.
Wie ist der Beschluss zu bewerten?
Die EU würde sich damit das ehrgeizigste Ziel von allen Industrieländern setzen. China etwa hat gerade beschlossen, vor 2030 den Höhepunkt beim CO2-Ausstoß zu erreichen und danach zurückzufahren. Das Parlament geht mit dem 60-Prozent-Einsparziel auch über den Vorschlag der Kommission hinaus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte „mindestens 55 Prozent“ vorgeschlagen.
Aber: Die Kommission will, dass die Beiträge der Landwirtschaft, etwa durch das Pflanzen von Wäldern und anderen Kohlenstoffsenken, auch entlastend in die Berechnung eingehen. Das Parlament lehnt dies ab. Sollte sich das Parlament damit durchsetzen, müsste noch mehr eingespart werden.
Welches Ziel steht am Ende im EU-Gesetz?
Erfahrungsgemäß geht das Europa-Parlament mit forschen Forderungen voraus, die dann von den Mitgliedstaaten herunterverhandelt werden. Beobachter gehen davon aus, dass das auch hier wieder der Fall ist. Es spricht also viel dafür, dass die EU sich letztlich ein niedrigeres Ziel setzt. Angela Merkel hat sich bereits für 55 Prozent ausgesprochen. Als Bremser gilt Polen, das einen Großteil seiner Energie noch aus der Kohleverstromung bezieht.
Wie wird das neue EU-Ziel durchgesetzt?
Die Kommission hat angekündigt, bis zum Sommer die gesamte EU-Klima- und Umweltgesetzgebung zu überarbeiten. Das heißt: Die EU-Gesetze zum CO2-Ausstoß von Autos, Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Vorschriften für Wärmedämmung, Verbote von Geräten, die Energieschleudern sind, müssen verschärft werden.
Es sollen zudem der Verkehr und Gebäude in den Handel mit Verschmutzungszertifikaten einbezogen werden. Dies bedeutet, dass Autofahrer und Hausbewohner für die Nutzung von fossilen Brennstoffen stärker zur Kasse gebeten werden.
Zudem muss eine neue Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten für Bereiche, die nicht der EU-Gesetzgebung und dem Emissionshandel unterliegen, verhandelt werden. Die Lastenteilung sieht vor, dass EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich und Italien höhere Lasten tragen als osteuropäische Staaten, die später EU-Mitglied wurden.