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Venezuelas selbsternannter Interimspräsident Juan Guaido.
© REUTERS
Update

Venezuela: Ausreisesperre gegen Guaidó – Konten werden eingefroren

Die Justiz hat Guaidó mit einer Ausreisesperre belegt und seine Konten eingefroren. Zuvor hatte Washington ihm Zugriff auf Regierungskonten in den USA gewährt.

Vor neuen Massenprotesten hat die venezolanische Führung ihr Vorgehen gegen den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó verschärft. Der Oberste Gerichtshof verhängte am Dienstag ein Ausreiseverbot gegen den oppositionellen Parlamentspräsidenten und fror seine Konten ein. Außerdem wurden Ermittlungen gegen den 35-Jährigen eingeleitet, weil dieser widerrechtlich das Amt von Staatschef Nicolás Maduro an sich gerissen habe.

Mit seinem Beschluss folgte der Oberste Gerichtshof einem Antrag des venezolanische Generalstaatsanwalts Tarek William Saab. Dieser steht ebenfalls fest hinter Maduro. Guaidó zeigte sich nach Saabs Antrag nicht überrascht über das Vorgehen der Justiz. "Die einzige Antwort des Regimes ist Verfolgung und Unterdrückung", sagte der Parlamentspräsident. Er gehe davon aus, dass ihm sogar Haft drohe.

Die USA hatten zuvor dem venezolanischen Gegenpräsidenten Guaidó Zugang zu bestimmten Konten Venezuelas verschafft, die in den USA liegen. Außenminister Mike Pompeo habe die Erlaubnis gegeben, dass Guaidó rechtmäßig auf das Eigentum zugreifen könne, das auf bestimmten Konten der Regierung Venezuelas oder der Zentralbank Venezuelas bei US-Banken lagere.

„Diese Zertifizierung wird der legitimen Regierung Venezuelas helfen, die Werte zu sichern und zum Wohl des Volkes von Venezuela einzusetzen“, heißt es in einer Mitteilung des US-Außenministeriums vom Dienstag. Die USA sehen Guaidó als legitimen Präsidenten des lateinamerikanischen Staates an.

Erst am Montag hatten die USA Sanktionen gegen den Ölsektor Venezuelas verhängt. Den Worten von US-Finanzminister Steven Mnuchin zufolge dürfen in den USA ansässige Firmen zwar noch Öl aus Venezuela einkaufen, die Zahlungen müssen aber auf Sperrkonten eingezahlt werden. Ob es sich dabei um die Konten handelt, zu denen die Opposition nun Zugang erhält, war zunächst nicht klar.

Hunderttausende Venezolaner wollen an diesem Mittwoch wieder auf die Straße gehen und den Druck auf Machthaber Nicolás Maduro erhöhen. Der zeigt sich entschlossen, gemeinsam mit der Armee den „Frieden des Volkes“ zu verteidigen. Für Aufsehen sorgte eine handschriftliche Notiz des Nationalen Sicherheitsberaters der USA, John Bolton. Während einer Pressekonferenz Boltons fotografierten Journalisten auf dem Notizblock die Zeile: „5000 Soldaten nach Kolumbien“. Das nährte Spekulationen über eine Truppenverlegung der USA in Venezuelas Nachbarland. Bolton schloss eine Intervention der US-Armee in Venezuela nicht aus. Wie geht es weiter in dem Kampf um die Macht in dem südamerikanischen Land? Zwei mögliche Szenarien.

Das erste: Wie bereits in den vergangenen Jahren setzt Venezuelas linksextremer Präsident Maduro auf Gewalt, um die Proteste niederzuschlagen. Die gefürchteten „Colectivos“, regierungsnahe paramilitärische Schlägertrupps, greifen massiv die Demonstranten an. Die Sicherheitskräfte gehen mit brutaler Härte gegen die Proteste vor. Zu den 35 Toten und 850 Verhafteten, die seit der Vereidigung von Interimspräsident Juan Guaidó von NGOs gezählt worden sind, kommen neue Opfer hinzu. Die Massenproteste ebben aus Angst vor der Gewalt ab, Guaidó wird wie weitere führende Köpfe der Opposition verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.

Widerstand im Untergrund

Oppositionspolitiker Carlos Delgado von der Guaidó-Partei Voluntad Popular berichtet über seine Verhaftung und den Versuch des Geheimdienstes, von ihm belastendes Material gegen Guaidó zu erzwingen. Auch die Machtdemonstration Maduros, der sich seit einigen Tagen nur noch an der Seite bewaffneter Militärs zeigt, spricht dafür, dass Maduro für den Verbleib an der Macht über noch mehr Leichen zu gehen bereit ist.

Der Widerstand gegen die Regierung verlagert sich in den Untergrund. Schon jetzt gibt es dort rechtsextreme Kampfgruppen, die Maduro stürzen wollen. Der Kampf wird nicht mehr auf der Straße, sondern in Guerilla-Manier ausgetragen. In Venezuela beginnt ein asymmetrischer Bürgerkrieg, wie ihn das Nachbarland Kolumbien erlebt hat. Kolumbien und Brasilien, die unter dem Massenexodus aus Venezuela besonders leiden, prüfen nun ein militärisches Eingreifen, um die Regierung in Caracas zu stürzen. Es droht ein unkalkulierbarer internationaler Flächenbrand.

Das zweite Szenario: Der Druck von Millionen Venezolanern und aus dem Ausland zeigt Wirkung. Immer mehr Maduro-Getreue versagen dem Präsidenten die Unterstützung. Auch aus der lateinamerikanischen Linken wächst der Druck. Deren moralische Autoritäten wie Uruguays Ex-Präsident und Ex-Guerillero José „Pepe“ Mujica oder Mexikos neuer Präsident Andres Manuel Lopez Obrador drängen auf eine Verhandlungslösung, weil „der Krieg die schlechteste aller Lösungen ist“, wie Mujica sagt.

Der Uruguayer, einst Widerstandskämpfer gegen eine rechte Militärdiktatur, hat bereits Neuwahlen unter strenger Aufsicht der UN sowie eine Übergangsregierung mit Beteiligung aller gesellschaftlichen Sektoren vorgeschlagen. Auch Venezuelas treuester Partner in Südamerika, Boliviens Präsident Evo Morales, spricht sich für eine „pazifistische Lösung“ des Konfliktes aus, wie sie Papst Franziskus gefordert hat, sieht allerdings im „imperialistischen Angriff der USA“ die größte Gefahr.

Trotzdem: Es ist das erste Mal, dass Morales von einer Lösung der Krise spricht. Er fürchtet, dass bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen in Bolivien eine blutige Niederschlagung der Proteste in Venezuela auch ihm, dem treuen Helfer Maduros, angelastet werden könnte. Maduro akzeptiert eine rein lateinamerikanische Vermittlung unter Führung von Uruguay und Mexiko und zieht sich an deren Ende nach Kuba ins Exil zurück. (mit dpa, AFP)

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