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Foto: Boris Rössler/dpa
© dpa

Nach den Anschlägen von Brüssel: Ausnahmezustand in Deutschland

Die Politik reagiert betroffen auf den Terror in Belgien – und teils mit Kritik an den Behörden.

In Deutschland wurden unmittelbar nach der Brüsseler Anschlagsserie die Sicherheitsvorkehrungen hochgefahren. Die Kontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen seien am Dienstag verschärft worden, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in Potsdam. Die Überwachung der Grenzübergänge zu Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg wurden verstärkt. Die Anschläge hätten nicht nur den Belgiern gegolten, „sondern unserer Freiheit, unserer Bewegungsfreiheit, der Mobilität und allen, die Teil der EU sind“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Es gebe aber bislang keinen Hinweis auf „einen Deutschlandbezug“ der Täter. Unbekannt war nach seinen Worten zunächst auch, ob Deutsche unter den Opfern sind. An Verkehrsknotenpunkten waren deutlich mehr Beamte als an normalen Tagen im Einsatz. Die Polizisten waren zudem stärker bewaffnet und mit Schutzwesten ausgestattet.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, Michael Cramer (Grüne), zeigte sich unterdessen skeptisch, dass sich ein Anschlag wie am Brüsseler Flughafen durch eine drastische Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen an Airports verhindern lässt. „Das Problem ist: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgendwo“, sagte Cramer dem Tagesspiegel. „Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz gegen Attentäter, die zu allem entschlossen sind“, sagte Cramer. (Das ganze Interview lesen Sie hier).

Politiker aller Parteien reagierten mit Entsetzen auf die Nachrichten aus Brüssel. Bundespräsident Joachim Gauck kondolierte dem belgischen König Philippe. „Die Nachrichten von den grausamen Terroranschlägen am Flughafen Brüssel und in der Brüsseler Metro haben mich tief erschüttert. Die schrecklichen Verbrechen, die so viele Opfer gefordert haben, verurteile ich auf das Schärfste“, heißt es in seinem Kondolenzschreiben.

Das Auswärtige Amt richtete einen Krisenstab ein. „Die deutsche Botschaft in Brüssel bemüht sich mit Hochdruck um Aufklärung, ob auch Deutsche von den Explosionen betroffen sind“, sagte ein Sprecher. In seinen im Internet veröffentlichten Sicherheitsempfehlungen rief das Ministerium Brüssel-Reisende auf, „sich in der Stadt nur mit erhöhter Aufmerksamkeit und Wachsamkeit zu bewegen“. Weisungen der belgischen Sicherheitskräfte seien unbedingt zu befolgen.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte eine europäische Sicherheitsstrategie. DPolG-Bundesvorsitzender Rainer Wendt: „Wir brauchen eine europäische Sicherheitsstrategie mit verbindlichen Zielen und konkreten Maßnahmen, denn eine engere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in der EU ist vor dem Hintergrund von Terrorgefahr und Radikalisierungstendenzen unabdingbar.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) kritisierte die Sicherheitsbehörden im Nachbarland Belgien. Der Salafismus im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sei seit vielen Jahren gewachsen „und man hätte möglicherweise eher eingreifen müssen“, sagte der Minister in Düsseldorf. Jäger zeigte sich erschrocken darüber, dass eine mutmaßliche Terrorzelle in Belgien über Jahre unentdeckt bleiben konnte. „Es geht nicht um einzelne, sich selbst organisierende Täter, sondern es wurde strukturiert und abgesprochen vorgegangen. Das setzt Zellenbildung voraus“, sagte er.

Michael Müller: Wir lassen uns nicht einschüchtern

In Berlin wurden alle weiteren Flüge von Tegel und Schönefeld in die belgische Hauptstadt gestrichen, von beiden Flughäfen starten sonst täglich je vier Maschinen. Nur die beiden frühen Flüge konnten noch in Brüssel landen. Die 6.20-Uhr-Maschine aus Schönefeld landete um 7.50 Uhr. Der Morgen-Flug ab Tegel um 6.55 Uhr landete um 8.15 Uhr. (Berichte aus Berlin lesen Sie hier.)

Die Explosionen ereigneten sich gegen acht Uhr am Morgen. Eine frühe Maschine aus Brüssel konnte zur etwa gleichen Zeit noch in Tegel landen, alle weiteren Flüge aus Brüssel nach Berlin wurden gestrichen. In Tegel wurde zudem die Besucherterrasse gesperrt, aus Sicherheitsgründen, wie es zunächst hieß. Flughafensprecher Lars Wagner klärte später auf: Die Mitarbeiter, die eigentlich für die Sicherheit auf der Terrasse eingeteilt waren, wurden abgezogen, um die von den Umbuchungen und Stornierungen betroffenen Fluggäste zu betreuen und zu informieren. Die Sperrung sei also nicht aus Sicherheitsbedenken erfolgt.

Auch der Schienenverkehr nach Brüssel wurde unterbrochen, Züge etwa von Frankfurt am Main nach Brüssel enden bereits in Aachen. Ersatzverbindungen seien nicht bekannt, teilte die Deutsche Bahn mit. Fernbusse fahren währenddessen weitgehend planmäßig, teilte zum Beispiel die Eurolines Touring mit. Deutschlandweit würden alle Busse regulär nach Belgien weiterfahren, einem stark frequentierten Drehkreuz für den Fernbusverkehr in Europa.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte: „Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir werden unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft und unsere offene Lebensweise von solchen menschenverachtenden terroristischen Akten nicht zerstören lassen.“

Die Brandenburger EU-Abgeordnete Susanne Melior (SPD) berichtete direkt aus Brüssel: „Hier herrscht Ausnahmezustand. Meine Wohnung liegt unmittelbar neben dem Parlament. Als ich aus der Wohnung kam, wirkte auf der Straße alles noch recht normal. Im Parlament haben wir uns nach kurzer Besprechung trotzdem dafür entschieden, die geplante Abstimmung zu Glyphosat und zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln in unserer Ausschusssitzung durchzuführen. Allerdings haben wir zu Beginn eine Schweigeminute eingelegt, weil wir bereits wussten, dass es wenigstens 13 Tote gibt.“ (mit dpa/rtr)

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