Spahn zur Ausbreitung der Delta-Variante: „Aus einem zu sorglosen Sommer darf kein Sorgen-Herbst werden“
Angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante warnt Jens Spahn vor zu viel Sorglosigkeit im Sommer – beim Impfen, im Urlaub und nach der Rückkehr.
Jens Spahns größte Sorge ist offenbar die Sorglosigkeit der Deutschen in diesem Sommer. Und so mahnt der Bundesgesundheitsminister mit Blick auf die Entwicklung der Corona-Pandemie einmal mehr zur Vorsicht.
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Viele treibe die Frage um, ob das Land auf eine mögliche vierte Welle zusteuere. „Es liegt an uns. Wir können den Sommer genießen, aber eben mit Vorsicht“, sagte Spahn am Freitag. „Aus einem zu sorglosen Sommer darf kein Sorgen-Herbst werden.“ Die Deutschen hätten es selbst in der Hand, ob sich die Delta-Variante weiter ausbreite.
Diese erstmals in Indien nachgewiesene Variante war in der zweiten Juni-Woche bereits für 15 Prozent aller nachgewiesenen Fälle in Deutschland verantwortlich, eine aktuellere Zahl gibt es noch nicht. Der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, geht allerdings davon aus, dass der Anteil heute bereits höher liegt. Die Delta-Variante des Coronavirus ist ansteckender als die derzeit in Deutschland noch vorherrschende Alpha-Variante.
Anteil der Hospitalisierten bei der Delta-Variante doppelt so hoch
Von denjenigen mit dem Coronavirus Infizierten, bei denen die Delta-Variante nachgewiesen worden war, mussten nach Angaben des RKI elf Prozent ins Krankenhaus. Die Daten beziehen sich auf Fälle in Deutschland seit dem Auftreten der Delta-Variante.
Dagegen wurden von den mit der Alpha-Variante Infizierten nur fünf Prozent im Krankenhaus behandelt. Wieler wies außerdem darauf hin, dass die neue Variante in der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen besonders häufig vorkomme.
Spahn und Wieler verwiesen darauf, dass Impfungen auch bei der Delta-Variante vor schweren Erkrankungen schützen. Allerdings gilt dies nur für vollständig Geimpfte. „Einmal Geimpfte können das Virus immer noch weitergeben“, warnte Wieler. Mit Blick auf Berichte über ausgefallene Impftermine mahnte Spahn, auch die zweite Impfung wahrzunehmen, und zwar im richtigen zeitlichen Abstand zur Erstimpfung.
Bisher haben 34,1 Prozent der Deutschen den vollen Impfschutz. Von den Erwachsenen sind 63 Prozent mindestens einmal geimpft. Außerdem haben bisher 300.000 Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren eine Erstimpfung erhalten.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte für diese Altersgruppe keine generelle Impfempfehlung ausgesprochen. Bis Ende August sollen nach Angaben Spahns alle in dieser Altersgruppe die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen, falls sie und ihre Eltern das wollen. Zugleich erneuerte der Minister die Zusage, dass allen impfwilligen Erwachsenen bis Ende Juli ein Impfangebot gemacht werden solle.
Masken, Lüften, Testkonzept in den Schulen
Derzeit geht der Trend bei den Corona-Fallzahlen weiter nach unten. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag am Freitag bei 6,2. Wegen der ansteckenderen Delta-Variante rechnet das Robert Koch-Institut allerdings damit, dass die Fallzahlen in den kommenden Monaten wieder steigen. „Impfungen allein werden uns nicht vor einem Anstieg im Herbst schützen“, warnte Wieler.
Deswegen ist nach Auffassung des Robert Koch-Instituts in den Schulen auch nach den Ferien das Tragen von medizinischen Masken ebenso wichtig wie das Lüften und ein gutes Testkonzept. „So kann man Schulen offenhalten und Infektionen früher erkennen“, sagte der RKI-Chef. Wieler brachte dabei neben den Lolli- und Spucktests auch gepoolte PCR-Tests ins Gespräch, die zuverlässigere Ergebnisse bringen als die Antigen-Tests.
[Mehr zum Thema: „Den Preis für geöffnete Schulen zahlen Ungeimpfte“: Was in den Ferien für normalen und risikoarmen Unterricht getan werden muss (T+)]
Und auch den vielen Urlaubern gab Spahn zum Beginn der Ferienzeit noch eine Mahnung mit auf den Weg: „Wer will, dass die Schulen nach den Ferien sorgenfreier starten können, sollte sich und seine Familie nach der Rückkehr ein-, zwei-, dreimal testen.“
Mit der Empfehlung, in Innenräumen weiter Masken zu tragen und nicht alle Vorsichtsmaßnahmen aufzugeben, ziehen Bundesregierung und RKI auch Konsequenzen aus den Erfahrungen Israels. Dort waren die Zahlen trotz einer sehr hohen Impfquote wieder gestiegen. Die Lehre daraus sei, „dass man nicht zu früh ungezielt lockern sollte“, sagte Wieler. Die Entwicklung in Israel sei nicht beunruhigend, sondern vielmehr „lehrreich“, sagte der Corona-Experte von der Berliner Charitè, Leif-Erik Sander.
Die Delta-Variante werde eine noch höhere Impfquote erfordern, betonte der Charitè-Forscher. Zugleich warnte er, dass Personen mit einer abgeschwächten Immunantwort stärker gefährdet sein könnten. Gegebenenfalls müsse es im Herbst eine Auffrischungsimpfung für Risikogruppen und deren Kontaktpersonen geben. Dagegen gebe es derzeit keinen Anlass, wegen der Delta-Variante Auffrischungsimpfungen für die gesamte Bevölkerung vorzusehen.
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