Diesel und CO2: Auf stur geschaltet
Großzügig sind die Konzerne nur, was die Prämien fürs Umtauschen angeht. Ein Kommentar.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es den Autokonzernen diese Woche an den Kragen geht. Erst einigt sich die Koalition auf Diesel-Hardwarenachrüstungen. Dann entscheidet sich das EU-Parlament für strenge CO2-Grenzwerte ab 2030. Doch bald wird klar: Das Dieselpaket der Bundesregierung ist bestenfalls notdürftig geschnürt. Und das Votum der EU-Abgeordneten dürfte in den Verhandlungen zwischen dem Parlament, den EU-Staaten und der Kommission kaum Bestand haben. In beiden Fällen wurde die Rechnung ohne die Industrie gemacht. Die freilich steht vor einem Dilemma: Blockiert sie das Berliner Dieselpaket, könnte sich die Bundesregierung in Brüssel unnachgiebig zeigen. Setzt sich die Autobranche in Brüssel durch – flankiert von Angela Merkel –, wird die Kanzlerin beim Dieselpakt hart bleiben.
Der größte Schritt für eine valide Diesellösung muss erst noch getan werden - von der Industrie
So oder so gilt: Ohne einen größeren Beitrag von BMW, Daimler und Volkswagen wird es nichts mit dem Klimaschutz und der Verbesserung der Stadtluft. Man muss deshalb hellhörig werden, wenn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) beim Dieselkompromiss gemeinsam von einem großen Wurf sprechen. Zur Erinnerung: BMW und Opel lehnen eine Nachrüstung älterer Dieselwagen ab, Daimler überlegt noch, VW will nur 80 Prozent der Kosten übernehmen, die ausländischen Hersteller sind gar nicht mit im Boot. Ist das geeignet, das Vertrauen in den Diesel wiederherzustellen, wie Schulze meint? Es ist doch wohl eher so, dass der größte Schritt für eine valide Diesellösung noch getan werden muss – von der Industrie. Geschenkt, dass auch politisch-gesetzgeberisch noch viel Arbeit zu tun ist. Das ist bei einem komplexen Thema nicht anders zu erwarten. Es ist immerhin positiv, dass nach so langer Zeit endlich etwas unternommen wird. Dennoch hat die Koalition an den zentralen Stellen mehr Fragen offengelassen als Antworten gegeben. Es ist weiter unklar, ob die betroffenen Dieselfahrer auf den Kosten für eine Nachrüstung sitzen bleiben, ob der Steuerzahler ranmuss oder ob die Industrie die Verantwortung und die Rechnung übernimmt. Auch einen Beitrag zur Förderung im gewerblichen Bereich ist die Industrie schuldig geblieben. Sie gibt sich allein großzügig bei den „Umtauschprämien“. Die aber sind vor allem gut fürs eigene Geschäft. Ein „großes Ding“, sagt Svenja Schulze. Groß dürften die Nacharbeiten sein, das stimmt. Vertrauensbildende Maßnahmen in Sachen Diesel sehen anders aus.
Henrik Mortsiefer