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Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrer Ankunft in Wildbad Kreuth mit CSU-Chef Horst Seehofer.
© REUTERS
Update

CSU-Klausur in Wildbad Kreuth: Auf Obergrenzenlehrer Horst Seehofer ist Verlass

Ein Besuch in Wildbad Kreuth: Wie Horst Seehofer mit den CSU-Bundestagsabgeordneten die Kanzlerin empfängt - deutlich uneindeutig.

Das Gute am Horst Seehofer ist seine Berechenbarkeit. Also jetzt nicht in dem Sinne, dass man sagen könnte, was ihm als übernächstes einfällt. Aber in einem Punkt ist auf den CSU-Chef absolut Verlass: Wenn er mal wieder was gesagt hat, was alle aufregt, dann setzt er todsicher als nächstes eine Unschuldsmiene auf und versteht die Aufregung nicht. Was also den Besuch von Angela Merkel bei der CSU-Landesgruppe im Wildbad Kreuth angeht: „Das wird a ganz a vernünftige Begegnung!“

Als Seehofer das sagt, steht er am Mittwoch im milden Mittagssonnenschein vor dem alten Wildbad. Ein paar Stunden später dröhnt sonores Rotorengeknatter durch das Hochtal. Ein Hubschrauber der Bundespolizei bläst Schneewolken in die Dämmerung, als er auf der Wiese vor dem Tagungsgebäude aufsetzt. Die Kanzlerin geht standesgemäß nieder.

„Das wird a ganz a vernünftige Begegnung“

Es ist aber auch ein historischer Besuch. Zum Einen hat die Kreuther Klausur runden Geburtstag: Vor 40 Jahren trafen sich die CSU-Bundestagsabgeordneten zum ersten Mal in dem historischen Bad im Tegernseer Tal und beschlossen gleich mal, dass sie in der Bundespolitik viel besser ohne die CDU auskommen könnten.

Dieser Kreuther Trennungsbeschluss begründet den viel beschworenen Mythos des Ortes, taugt freilich zu mehr auch nicht, weil er bekanntlich umgehend an Helmut Kohl scheiterte, der Seehofers Vorgänger Franz Josef Strauß mit dem Einmarsch der CDU in Bayern drohte. Das Schmollen darüber dauerte 20 Jahre; erst 1996 lud die CSU den Kanzler Kohl nach Kreuth zu einem Unionsstrategietreffen.

Große Glocke, kleinlaut. Horst Seehofer zu Beginn der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth.
Große Glocke, kleinlaut. Horst Seehofer zu Beginn der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth.
© Michaela Rehle/Reuters

Merkels Visite ist also erst die zweite dieser Art und sogar die erste bei einer Landesgruppenklausur. Sie fällt in stürmische Zeiten. Obergrenzenlehrer-Auftritt beim CSU-Parteitag ist in guter Erinnerung, Merkels kühle Revanche beim CDU-Parteitag auch.

Seehofer übrigens, wo er grade schon mal dabei ist, erklärt den Journalisten um ihn herum sinngemäß, dass sie diesbezüglich an einer Wahrnehmungsstörung litten: „Was aus Ihrer Sicht schon dramatisch ist, ist für uns noch professionell.“ Nur leider passiert ihm bei der Erinnerung an die Szene bei der CSU in München ein Versprecher, an dem der Dr. Sigmund Freud seine helle Freude hätte. „Die Szene mit dem Blut-“, Korrektur: „… dem Blumenstrauß ...“

„Abgerechnet wird immer an der Grenze“

So viel also zur Dramatik. Die besteht im Prinzip auch nach dem Jahreswechsel fort. Die CSU-Landesgruppe hat einen Beschluss vorbereitet, der zur weitgehenden Schließung der deutschen Grenzen führen würde. Denn wenn Flüchtlinge nur noch mit gültigem Pass ins Land dürften, müsste ein Großteil ausgerechnet der Kriegsflüchtlinge draußen bleiben.

Und dann ist da die Obergrenze. Der CSU-Parteitag hat sie beschlossen, Seehofer hat sie erstmals beziffert. „Zwei-hundert-tausend“ - er zelebriert die Zahl regelrecht, als ein Fernsehreporter sie für seine Kamera noch mal ausdrücklich hören will. „Eine Zwei mit fünf Nullen, glaube ich – vor Ihnen steht nur eine.“

Das soll ein Scherz sein. Ganz ernst im mathematischen Sinne will Seehofer auch die Zahl selbst nicht verstanden wissen. Dass die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die 200.000 als „Orientierungsgröße“ relativiert, ist ihm recht.

Aber als politische Größenordnung ist sie sehr ernst gemeint. „Abgerechnet wird immer an der Grenze“, sagt Seehofer, und dass 2016 das Jahr werden müsse für „eine Wende in der Flüchtlingspolitik“. Drinnen vor den Abgeordneten wird er noch dramatischer: Wenn sie nicht gelinge, die Wende, „dann hat die Union ihre besten Tage hinter sich.“

Vielleicht hat er dabei an die Kleinkundgebung der „Alternative für Deutschland“ am Ortsausgang von Kreuth gedacht.

„Grenzen schließen sofort!“ steht auf deren Plakaten oder auch „Sichere Grenzen – sichere Heimat“.

Merkel im Hubschrauber hat davon nichts gesehen. Beeindruckt hätte es sie ohnehin kaum. Ja, sagt die CDU-Chefin, auch sie wolle die Flüchtlingszahl „spürbar reduzieren“. Das hat ihr eigener Parteitag ja auch beschlossen. Aber zugleich sei ihr „sehr wichtig“, die Freizügigkeit in Europa zu erhalten. Dass es zwischen ihr und der CSU „einige unterschiedliche Positionen“ gebe - „das wird sich wahrscheinlich heute Abend auch nicht ändern.“

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