CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: Auf gut bairisch
Generalsekretär Andreas Scheuer ist der Mann hinter Horst Seehofer. Ein Jahr lang ist er nun schon Generalsekretär der CSU. Wie prägt er die Partei?
Der Gast kommt pünktlich, wird nach vorn geführt und höflich beklatscht. Andreas Scheuer ist vertretungshalber zum CDU-Parteitag nach Köln gereist. Horst Seehofer ist krank. Normalerweise hält der CSU-Chef bei der Schwesterpartei ein launiges Grußwort; aber Seehofer hat schon einmal wegen einer verschleppten Erkältung wochenlang auf Leben und Tod gelegen. Das Risiko ist es ihm nicht wert, zumal er in zwei Tagen einen eigenen Parteitag bestehen muss. Der Auftritt in Nürnberg ist Pflicht, der Auftritt in Köln bloß Pflichtübung. „Der Andi“, wie sie den CSU-Generalsekretär überall nennen, nimmt in der ersten Reihe vor dem Podium Platz und hört der Debatte zu.
„Der Andi“ : Das ist genau so gemeint, wie es klingt. Ein bisschen nett, aber auch ein bisschen geringschätzig. Scheuer ist jetzt ein Jahr im Amt. Die Bilanz ist durchwachsen, was teils an Scheuer selbst liegt, teils an der CSU und seinem Chef. Als Seehofer den inzwischen 40-jährigen Niederbayern als Nachfolger von Alexander Dobrindt an seine Seite holte, war Scheuer klar, dass es schwer werden würde. Dobrindt hatte der CSU einen Wahlkampf organisiert, der ihr die absolute Mehrheit zurückbrachte. Selbst politische Gegner gestanden nachher zu, der Kerl sei zwar unverschämt, habe sie aber clever an ihren Schwachpunkten gepackt.
Scheuer holt auf - in Sachen Unverschämtheit
Was das Unverschämte angeht, holt Scheuer mittlerweile gut auf zum frühen Dobrindt der schwarz-gelben „Gurkentruppen“-Periode. Wenn er sich öffentlich äußert, dann bajuwarisch krachend. Viel üben musste er nicht. Der gebürtige Passauer durfte schon in jungen Jahren beim Politischen Aschermittwoch den Saal einheizen helfen – ein sportlicher Schlacks mit unbekümmertem Spaß an jener Art von neckischen Wortgefechten, die in Bayern als „Derblecken“ zum Kulturerbe zählen. Wer ihn besser kannte, las in dem Gesicht mit der modischen Hornbrille freilich manchmal schon auch die unsichere Frage: „War ich gut?“
Gleichwohl – als ständigen Gast der Talkshows sehen ihn selbst Parteifreunde gern, die ansonsten kritische Anmerkungen zu machen haben. Scheuer bringe die Positionen der CSU zur Geltung und lasse sich auch von ausgebufften Gegenrednern nicht aus dem Konzept und um die Redezeit bringen – was soll’s, dass er da öfter mal übers Ziel hinausschieße!
Schwieriger wird es mit der harten politischen Bilanz. Da war der Fehlstart als „Dr. Scheuer“: Der Politologe hatte sich in Prag zum „Doktor filozofie“ promoviert, ein Titel, der außerhalb der Bundesländer Bayern und Berlin nicht als Doktorgrad anerkannt wird. In seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium hatte das niemand moniert. Scheuer brauchte denn auch länger bis zum Verzicht auf die schmückende Visitenkarte.
Ein bisschen Horst ist immer dabei
Die Episode ist überstanden. Das mittlere Desaster der CSU bei der Europawahl wird dem General ebenfalls nicht angelastet. Er fand den Wahlkampfplan fertig vor, als er ins Franz-Josef-Strauss- Haus einzog. Die an Valentinsche Paradox-Logik gemahnende Idee, die CSU vermittels des Peter Gauweiler als antieuropäische Europapartei zu präsentieren, stammte nicht von ihm, sondern war vom Chef angeordnet. Ohnehin lugt hinter vielen der Andi-Starksprüche der Horst hervor. Seehofer wird nervös, wenn er ein paar Wochen lang in den Pressespiegeln nicht vorkommt. Er nutzt Krawall kühl kalkuliert als Methode, um sich und die CSU im Gespräch zu halten.
Manchmal geht das schief. Etwa die Sache mit Gauweiler. Die „Wer betrügt, fliegt“-Kampagne gegen angebliche asylsuchende Sozialbetrüger indessen gilt intern nach wie vor als Erfolg im Untergrundkampf gegen die Alternative für Deutschland (AfD), obwohl dieser Gegner bei der Europawahl dann auch in Bayern fast acht Prozent einheimste. Sie dürfte das Vorbild für den Leitantrag zum Nürnberger Parteitag gewesen sein, die der CSU nun so krachend um die Ohren flog. War ja auch zu komisch, dass ausgerechnet eine Partei Zugewanderten Hochdeutsch verordnen wollte, die ihren Proporz bis heute eifersüchtig an Dialektgrenzen zwischen Franken, Altbayern, Schwaben und anderen schwer verständlichen Ureinwohnern ausrichtet.
Aus der Schusslinie
Wer den Satz da reingeschrieben hat, wird als Geheimnis behandelt. Aber Scheuer, sagen Berliner Parteifreunde, sei als General natürlich „der Verantwortliche“ für die Formulierung. Schwankt hier das Urteil über sein Wirken noch zwischen mildem „Übers Ziel hinaus“ und ganz mildem „Unachtsam“, stößt Scheuers Krisenmanagement klar auf Befremden. Der General habe nicht schnell genug reagiert, als die Häme über der Partei zusammenschlug. Vor allem aber gilt es als ernster Fauxpas, dass er sich damit zu entschuldigen versuchte, Seehofer sei informiert gewesen. Bei einem solchen Patzer, finden sie in der Berliner Landesgruppe der CSU, müsse der Generalsekretär „den Kopf schon allein hinhalten“.
Dass Scheuer in Nürnberg Ärger bekommt, glaubt trotzdem keiner. Unter den Delegierten habe keiner Lust, das Thema nochmal aufzurühren, heißt es. Man ist erleichtert, dass die Sache ausgestanden ist und die Sprachpolizei-Formel abgemildert wurde. Dem kommt die Parteitagsregie entgegen. Vorstellen wird den Leitantrag der Münchner Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer. Scheuer ist aus der Schusslinie. Das hat er in Köln bei der CDU schon geübt. Wer erwartet hätte, dass er wenigstens ein kurzes Grußwort im Namen seines kranken Chefs verlesen würde, sah sich enttäuscht. Scheuer saß bloß stumm vor der Bühne. Und wer wissen wollte, ob die große Schwester sich eine Scheuer-Rede womöglich verbeten hat, bekam die maliziöse Antwort: „Er hat sich gar nicht zu fragen getraut.“