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Ein DB-Regionalzug verlässt den Bahnhof in Hamm.
© Guido Kirchner/dpa

Sigmar Gabriel fährt Bahn: Auf die deutsch-französische Freundschaft ist Verlass

Sind die DB-Züge tatsächlich zu 70 Prozent pünktlich, sitzt er immer in den anderen 30 Prozent, glaubt unser Autor. Dann aber kommt der Thalys. Eine Glosse.

Eine Glosse von Sigmar Gabriel

Was waren das noch für Zeiten, als die Deutsche Bundesbahn mit dem Slogan warb: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Im Dampflok-Zeitalter jedenfalls war Pünktlichkeit eine pure Selbstverständlichkeit für den Verkehr auf Deutschlands Schienen. Heute bemerkt man den Unterschied zwischen Streik und Normalbetrieb als Kunde der Bahn kaum noch. Sollte es dennoch stimmen, dass die DB-AG immerhin zu 70 Prozent immer noch pünktlich fährt, habe ich wohl jeden Tag das Pech - und gegebenenfalls mehrfach - zu den 30 Prozent zu gehören, wo das nicht klappt.

Zum Glück gibt es aber noch die deutsch-französische Freundschaft! Die funktioniert noch - selbst auf deutschen Schienen. Am vergangenen Sonntag wollte ich von Hannover nach Essen fahren. Weil das derzeit ein mutiges Unterfangen ist, fuhr ich lieber einen Zug früher, weil man ja nie wissen kann... Aber selbst das half nichts, weil in Hamm erstmal Schluss war. Erst kamen wir zu spät an, dann war der Regionalzug schon weg, dann kam er doch, allerdings mit Verspätung, aber auf dem falschen Gleich, allerdings um dann doch nicht zu fahren, weil man lieber einen Ersatzzug fahren lassen wollte. Als der dann auch nicht fuhr, gab es die Chance in einen anderen Regionalzug umzusteigen, der gerade - verspätet - in Richtung Essen abfuhr. Aber der unverdrossene Lokführer des verspäteten, umgeleiteten, ausgetauschten und wieder verspäteten Zuges meinte beruhigend: Keine Sorge, es geht gleich los. Sprach's und schaute verwundert auf den vor ihm in Richtung Essen abfahrenden Regionalzug, der nach seiner Auffassung doch hätte nach ihm - verspätet - den Bahnhof Hamm verlassen sollen.

In der Sekunde rollte der Thalys-Express nach Paris in Hamm ein. Der offenbar nicht mehr ganz so sichere Lokführer meines Regionalexpresses meinte, ich solle es doch vielleicht mit diesem Zug versuchen. Also raus und über den Bahnsteig zum Thalys, dessen Gesellschaft zwar in Belgien sitzt, aber eine gemeinsame Tochter der französischen und belgischen Staatsbahnen (!) ist und auf der Technik des französischen TGV beruht.

Unfassbar: Pünktlich, heißer Kaffe, warmes Abteil

Der freundliche französische Schaffner erläuterte mir in perfektem Deutsch, dass man „selbstverständlich“ Essen pünktlich erreichen werde und ich herzlich eingeladen sei, zuzusteigen - wenn ich denn ein Ticket hätte, denn der Fahrausweis der Deutschen Bahn AG gelte im Thalys leider nicht. Das war mir nun angesichts der bisherigen Erfahrungen des Tages egal. Aber dann kam der endgültige Beweis für die Innigkeit und Tiefe der deutsch-französischen Freundschaft: Normalerweise - so der freundliche Franzose - koste das Ticket zwischen Hamm und Essen 45 € (ein stolzer Preis angesichts der kurzen Entfernung). Weil ich aber schon so viel Verspätung hätte ertragen müssen und ja auch einen gültigen DB-Fahrschein hätte, würde er mich auch für 20 Euro mitnehmen!

Unfassbar: Pünktlich, mit heißem Kaffee und gut gewärmtem Abteil und auch noch Rabatt! Bei der DB kannst Du froh sein, wenn Du für das Gegenteil einen Preisnachlass erhältst. Merke: Auf die Franzosen ist eben in Krisenzeiten Verlass. Wir sollten überlegen, ob wir die Bundesanteile an der Bahn nicht an die Staatsbahnen Frankreichs und Belgiens verkaufen. Oder einfach wieder aus der Bahn AG die gute alte Deutsche Staatsbahn machen, denn scheinbar hat der Privatisierungswahn bei der Bahn seit Jahren auf vieles Wert gelegt - nur nicht darauf, Menschen pünktlich und bequem von A nach B zu bringen.

Ohne AG, ohne Schielen auf den Kapitalmarkt und ohne die sage und schreibe 1.000 nationalen und internationalen Gesellschaften, an denen die DB AG beteiligt ist: Das wäre mal ne' Bahnreform. Zur Not auch mit Dampflokomotiven - klimafreundliche mit Biomasse natürlich.

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