Der Flüchtlingsmarsch der Hoffnung: Auf der Autobahn nach Wien
In Ungarn machten sich mehr als tausend Flüchtlinge vom Budapester Fernbahnhof Keleti zu Fuß in Richtung österreichischer Grenze auf. Es ist ihr "Marsch der Hoffnung".
Wenn keine Züge fahren, laufen sie halt. 175 Kilometer sind es von Budapest bis zur österreichischen Grenze - das schreckt die Menschen nicht, die schon eine viel größere Wegstrecke hinter sich haben. Sie überqueren am Freitag die Elisabet-Brücke, die Polizei lässt sie ziehen.
Wenige Stunden vorher: Neben dem Burger King am Bahnhof Keleti in Budapest sitzen drei Syrer in der Fußgängerzone. Sie bereiten sich auf den „Marsch der Hoffnung“ vor. Gemeinsam mit hunderten anderen Flüchtlingen wollen sie sich aus der katastrophalen Lage am Ostbahnhof der ungarischen Hauptstadt befreien. „Europa will uns nicht helfen, dann helfen wir uns selbst“, sagt einer der Syrer. Deswegen laufen sie nun nach Wien.
Ein Syrer hat sich gerade für umgerechnet 29 Euro neue, giftgrüne Sportschuhe gekauft. „Ein bisschen hässlich, aber die müssten es tun“, sagt sein Kumpel. Ahmad, einer der Anführer des Marsches, möchte, dass „dieses Ding“ groß wird. Er umklammert ein graues Megafon. Versucht die müden Flüchtlinge, die nun seit mehr als einer Woche im U-Bahnhof wohnen, zu motivieren. Er möchte die Flüchtlinge aufrütteln. „Je mehr, desto besser“, sagt Ahmad. Er wolle der Welt beweisen, dass vor allem die Syrer am Bahnhof Keleti nicht aus Spaß seien. Wenn die europäischen Regierungen keine Züge schicken würden, dann müssten sie eben selbst schauen, wie sie in Sicherheit kämen.
Doch viele Flüchtlinge sind skeptisch. „Was ist mit der Polizei?“, schreit ein alter Mann aus der Menge. Er bekommt keine Antwort. Dabei ist seine Frage mehr als nur berechtigt. Gerüchte machen die Runde, dass die ungarischen Sicherheitsbehörden den Marsch auf jeden Fall stoppen werden. So wie sie die vollbesetzten Züge und die Autos der Schmuggler aufgehalten haben.
Die ungarische Regierung zeigt Härte gegenüber den Kriegsflüchtlingen und gegenüber den europäischen Partnern. Nach einem Parlamentsbeschluss könnte sie die Armee gegen die marschierenden Flüchtlinge einsetzen. Ob das so kommt, lässt Ministerpräsident Viktor Orban bewusst offen. Desinformation, Verwirrung und Ungewissheit als politische Strategie.
Am wichtigsten sei aber, dass die Presse mitkomme, erklärt Ahmad auf Arabisch über das Megafon. Ungarische und ausländische Kamerateams begleiten den Marsch live. Viele Beobachter und User in sozialen Netzwerken sind sich einig: Vor der epochalen Architektur von Budapest spiele sich vielleicht ein Wendepunkt in der europäischen Geschichte ab.
Einige Polizisten versuchen zunächst die Autobahn, auf der die Flüchtlinge laufen, zu sperren. Sie parken ihre Einsatzwagen quer, müssen aber zuschauen, wie die Flüchtlinge einfach daran vorbeiliefen. Denn es sind zu viele. Aktivisten sprechen von mehr als tausend, die Regierung von 500 Marschierern. Es sind Männer, Frauen, Kinder, Menschen auf Krücken und ein Syrer mit einer riesigen Europaflagge.