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Zwei in einer Bahn. Kanzlerin Angela Merkel und der damalige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla 2009 in einem Panoramawagen des Rheingoldexpress in Frankfurt am Main.
© dpa

Pofallas Wechsel in die Wirtschaft: Auf den Zug aufgesprungen

Der beabsichtigte Wechsel des ehemaligen Kanzleramtschefs Ronald Pofalla zur Bahn AG stößt auf Kritik. Ist die Aufregung berechtigt?

Vom Kanzleramt in den Bahn-Tower – der beabsichtigte Wechsel des CDU-Politikers Ronald Pofalla zur Bahn AG erregt die Gemüter. Am 17. Dezember 2013 war er wie alle seine Regierungskollegen offiziell aus dem schwarz-gelben Kabinett ausgeschieden und hatte schon angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen – nur sein Bundestagsmandat wollte er behalten. Nun also sieht der ehemalige Kanzleramtschef seine berufliche Zukunft auf einem sehr gut dotierten Vorstandsposten bei der Bahn.

Warum erregt der Fall die Öffentlichkeit so?

Die Kritiker der Personalie stören sich besonders daran, dass Pofalla offenbar nach nur kurzer Übergangszeit von seinem Ministeramt in eine Unternehmensposition wechseln soll, die speziell für Lobbyismus und für Politikkontakte zuständig ist. Es entstehe der Eindruck, der Ex-Kanzleramtsminister werde „gezielt gekauft“, sagte Justizstaatssekretär Ulrich Kelber (SPD) der „Passauer Neuen Presse“.

Ein Vorstandsposten bei der Bahn wird mit 1,3 bis 1,8 Millionen Euro im Jahr vergütet. Zudem war mit Eckart von Klaeden erst im Herbst ein anderer enger Mitarbeiter Angela Merkels aus dem Kanzleramt als Cheflobbyist zu Daimler gegangen. Die Opposition verdächtigte den Ex-Staatsminister deshalb, er habe schon aus seinem Amt heraus die Interessen des Konzerns vertreten.

Wie sind die Regeln für den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft?

Ausscheidende Politiker müssen sich nur an allgemeine Gesetze wie die gegen Amtsmissbrauch oder gegen Bestechlichkeit halten. Spezielle Regeln für den Übergang in ein Unternehmen gibt es nicht. Die SPD hatte in der vergangenen Legislaturperiode eine Karenzzeit von 18 Monaten für Minister und Staatssekretäre vorgeschlagen, innerhalb derer eine Ethikkommission entscheiden soll, ob gegen einen Wechsel Bedenken bestehen. Der Vorschlag orientierte sich an der Vorschrift für EU-Kommissare. Im Bundestag scheiterte die SPD an der schwarz-gelben Mehrheit.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD nun vereinbart, sie wollten, „um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden“, für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Staatssekretäre und politische Beamte „eine angemessene Regelung“ finden. Weil das ganz und gar unkonkret formuliert ist, sind weitere Debatten zwischen SPD und Union zu erwarten. Die Opposition geht noch weiter. Die Grünen wollen eine Karenzzeit von drei Jahren, die Linkspartei fordert sogar fünf Jahre.

Was erhofft sich die Bahn von Pofalla?

Für die Bahn wäre Pofalla in jedem Fall eine Bereicherung. Kein Unternehmen in Deutschland ist auf enge Drähte zur Politik so sehr angewiesen wie der Staatskonzern. Das liegt an der wichtigen Rolle, die das Unternehmen in beinahe jedem Winkel der Republik spielt: Sie ist flächendeckend mit rund 330 Betrieben vertreten und einer der größten Arbeitgeber und Investoren des Landes. Zugleich wird sie jeden Tag von 7,3 Millionen Menschen genutzt. Ob sie Gleise oder Bahnhöfe renoviert (oder auch nicht), Verbindungen anbietet (oder auch streicht) – immer ist sie ein Politikum, immer reden Landräte, Bürgermeister oder Ministerpräsidenten mit.

Zudem ist die Bahn wegen des Geldes auf einen guten Draht zur Politik angewiesen. Rund 4,2 Milliarden Euro stellt der Staat seinem Konzern in diesem Jahr für Investitionen in die Infrastruktur zur Verfügung. Doch das Geld reicht wie immer hinten und vorn nicht – weil Prestigeprojekte teurer werden oder die Bahn mit dem Geld nicht gut wirtschaftet. Derzeit beklagt Bahn-Chef Rüdiger Grube etwa den Zustand der vielen oft mehr als 100 Jahre alten Brücken im Schienennetz und fordert mehr Geld für die Sanierung. Auch in anderen Bereichen hängt das wirtschaftliche Wohl der Bahn am Bund: Er bezuschusst den Regionalverkehr, etwa die Berliner S-Bahn, mit gut sieben Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen die Pensionen der einstigen Bundesbahn-Beamten.

Auch in der neuen Wahlperiode kann es sich die Bahn nicht leisten, mit der Politik, ihrem Eigentümer, zu streiten. Die schwarz-rote Koalition will strenger darüber wachen, was mit dem Gewinn der Bahn geschieht, insbesondere dem aus dem Schienennetz. Überdies will die EU den Einfluss des Konzerns auf das Schienennetz stärker begrenzen. Pflegte Ronald Pofalla ein gutes Verhältnis zu seiner Ex-Chefin, ließe sich vieles abwenden, das die Bahn womöglich viel Geld und Macht kostet.

Ist der Wechsel unschicklich?

Seit dem Rauswurf von Bayerns Ex-Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) als oberster Bahn-Lobbyist hat Grube die Politik-Kontakte selbst in die Hand genommen. Mit dem bisherigen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) soll er täglich telefoniert haben. Allerdings hat Grube mit Ex-Politikern nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Wiesheu ist ihm spätestens im Zuge der Affäre um ausgespähte Bahn-Beschäftigte unangenehm aufgefallen – denn der Bayer wusste nicht einmal, dass der Datenschutz in seine Zuständigkeit fällt.

Schon vor Wiesheu hatte die Bahn mehrere Ex-Politiker unter Vertrag genommen. Etwa das SPD-Urgestein Klaus Daubertshäuser, der bis 2005 im Vorstand für die Politik-Kontakte zuständig war. Oder Reinhard Klimmt (SPD), bis 2000 Bundesverkehrsminister und zwei Jahre später bei der Bahn für die Brüssel-Kontakte verantwortlich. Hartmut Meyer (SPD) war bis Herbst 2003 Verkehrsminister in Brandenburg, ab 2004 Berater der Bahn. Dass dies eine Belohnung war für einen zuvor an den Konzern vergebenen Verkehrsvertrag, bestreiten beide Seiten bis heute.

Die Konkurrenten der Bahn halten wenig davon, dass Ex-Politiker Manager werden. Sie befürchten Wettbewerbsverzerrung. „Herr Pofalla wird sicher einen besseren Zugang zur Kanzlerin haben als ich“, kritisiert Ludolf Kerkeling, Chef des privaten Güterbahnverbands NEE. Anderen Wettbewerbern passt nicht, dass die Bahn einen derart großen Einfluss auf die Verkehrspolitik hat. „Normalerweise kommt die strategische Steuerung aus der Bundesregierung und aus dem Parlament“, sagt Wolfgang Meyer, Präsident der Vereinigung Mofair. „Wozu braucht in Unternehmen, das im Staatsbesitz ist, eine politische Abteilung? Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund.“

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