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Top oder Flop, halb voll oder halb leer? Ob die SPD und ihr Chef Martin Schulz mitregieren wollen oder doch lieber nicht, das ist zwei Tage nach der Sondierung mit den Unionsparteien so unklar wie davor.
© Soeren Stache/dpa

SPD vor dem Parteitag: Auf dem Weg zum Projekt 18?

Statt den Staatsnotstand und ihre Haltung zu erläutern, streitet die SPD über ihre eigene Not - und zerreißt sich. Gefragt wäre selbstbewusste Regierungsarbeit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Manchmal kann man auf die Idee kommen, die SPD sei von allen guten Geistern verlassen. So auch jetzt wieder. Im Grunde ist unfassbar, was sich die Partei mitsamt ihrer Führung da gerade leistet. Soll sie sich mal nicht wundern, wenn sie jetzt mit Macht nicht die Stärkung ihrer Position im Parteiengefüge angeht, sondern ihre weitere Schwächung.

Es ist ja auch bald keinem mehr verständlich zu machen, was Strategie der führenden Genossen sein soll. Nach der Wahl hieß es voller Überzeugung, jetzt sei aber mal Schluss mit großen Koalitionen im Bund, wofür in der Situation auch einiges sprach. Dann, nach der verkorksten Jamaika-Sondierung, änderten sich Lage und Einschätzung. Doch anstatt das der staunenden Öffentlichkeit zu erläutern, einer, die nicht in jede Gehirnwindung der Genossen hineinschauen kann oder will; also ihr zu erklären, dass es nun doch den Staatsnotstand gibt, den die Granden der Union bestreiten, um nicht ihre eigene Schwäche bloßzulegen, streitet sich die SPD lieber untereinander.

Dabei sind solche grundlegend veränderten Situationen wie jetzt in der Politik nie auszuschließen. Dennoch geht die SPD nicht etwa in sich und überlegt dreimal, was sie tut, sondern macht munter weiter so. Vor allem die sogenannten Großen liefern ein abschreckendes Beispiel. So läuft die ganze Sozialdemokratie Gefahr, eines für Anti-Politik abzugeben.

Zunächst reagieren sie jetzt bestimmt beleidigt auf jede Form von Kritik an ihrer SPD. Anstatt sich selbstkritisch anzuschauen, was gerade geschieht: Die eigene Position erodiert. Denn wieder wurde nicht vorausgedacht. Es war doch klar, dass es auch ein positives Ergebnis der Sondierungen mit der Union geben könnte; und wenn es das geben würde, hätte vorher klar sein müssen, dass alle wie ein Mann, eine Frau dahinter stehen müssen. Damit es die Partei nicht zerreißt, weil sie im Urteil gewissermaßen sich selbst überlassen bleibt.

Die SPD hat in den Sondierungen viel erreicht

Hier hat ausgerechnet die CSU, ausgerechnet Markus Söder recht. Die SPD hat überraschend viel erreicht, und sehr viel Gutes für die einfachen Menschen im Land. Sie hat – im Vergleich zu Jamaika – in nur 25 Stunden fast schon einen Koalitionsvertrag verhandelt. Wenn die Genossen das gar nicht wollten, dann hätten sie das niemals beginnen dürfen. Den Kompromiss jetzt zu zerpflücken anstatt damit mal in der Regierung anzufangen und verdammt gute Arbeit abzuliefern – wer soll denn das jetzt verstehen?

Dabei war es nicht die Beteiligung der SPD an der großen Koalition, die sie Stimmen gekostet hat; sondern dass sie alles schlechtgeredet hat, sich selbst eingeschlossen. Wer das tut, der darf sich nicht wundern, dass ihn keiner wählen will. Und dann war auch noch der Kandidat nicht er selbst, nicht Mr. Europa, sondern Dorfschulze. Kurz: Der Wahlkampf war einfach schlecht.

Wer die Groko nicht will, muss Neuwahlen wollen: Projekt 18?

Aber wenn das nun so verquer läuft, dann ist umgekehrt auch klar: Eine Zustimmung von 51 gegen 49 Prozent zum Sondierungsergebnis reicht nicht. Dann muss die SPD Neuwahlen anstreben. Den besten Wahlkampfmanager, den sie hatte, den in Niedersachsen, hat die Bundes-SPD erfolgreich vergrault, Geld gibt es keines, keines für neue Wahlkampfinstrumente, die dringend nötig wären, die Stimmung ist mau. Es ist zwar in einem ganz anderen Zusammenhang bekannt geworden, doch die Sozialdemokraten könnten es berühmt machen: das Projekt 18. Unter 20 Prozent sind sie in den Umfragen schon.

Alle, die für die SPD Verantwortung tragen, ob als Regierungschefs oder Minister, müssen sich entscheiden: Ja oder nein, stützen oder stürzen. Denn nebenbei geht es auch darum, dass Martin Schulz mit dem, was kommt, steht oder fällt. Und das alles, weil Taktik oberstes Prinzip zu sein scheint. Dass da etwas größer ist als sie alle zusammen, nämlich die SPD – ist diese Erkenntnis mit Rudolf Scharping abhanden gekommen? Der nächste Parteitag wird es zeigen. Er wird ein Schicksalsparteitag.

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