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Wahlwerbung für die AfD.
© dpa

Alternative für Deutschland: Auf Anti-Brüssel-Kurs

Sie ist die große Unbekannte bei der Europawahl in diesem Jahr: die Alternative für Deutschland. Euro-Befürworter zittern vor einem Erfolg der Partei, die momentan in bundesweiten Umfragen bei vier Prozent liegt. Doch momentan kämpft die AfD vor allem mit Personalquerelen.

Keine andere politische Formation hat 2013 für so viel Aufsehen gesorgt wie die "Alternative für Deutschland" (AfD). Aus einer Bewegung von ein paar Dutzend Euro-Kritikern war erst im April eine wirkliche Partei geworden. Im September dann verfehlte sie mit 4,7 Prozent nur knapp der Einzug in den Bundestag. Ob die Partei eine politische Zukunft hat, werden aber wohl erst die kommenden fünf Monate zeigen. Euro-Befürworter zittern vor einem Erfolg der Partei bei der Europawahl im Mai. Aber auch parteiintern ist man alles andere als entspannt: Wenn der Erfolg nämlich ausbleibt, dann werde es kaum gelingen, die AfD zusammenzuhalten, heißt es selbst aus der Parteispitze.

Mit welchen Problemen kämpft die Partei?

Eins hat die Bundestagswahl deutlich gemacht: Zum Sterben war das Ergebnis zu gut, zum Überleben reicht es vielleicht aber auch nicht. Der AfD fehlt ein politisches Zentrum – eine Bundestagsfraktion mit 30 bis 40 Mitgliedern hätte dieses Manko wohl ausgleichen können. Wichtige Landesverbände wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen sorgen vor allem mit Personalquerelen für Schlagzeilen. Selbst Vorstandssprecher Bernd Lucke – der lange als unumstrittene Nummer eins galt – steht innerparteilich in der Kritik. So warf ihm der hessische AfD-Vorsitzende Volker Bartz vor wenigen Tagen indirekt Mafia-Methoden vor. Lucke hatte Bartz in einer E-Mail einen freiwilligen Rücktritt nahegelegt. Hintergrund sind angebliche berufliche Verfehlungen von Bartz – dieser solle bedenken, welche „Auswirkungen“ eine „öffentliche Beschädigung“ für seine Familie habe, schrieb Lucke. Bartz wurde am Montag wegen „parteischädigenden Verhaltens“ abgesetzt. Auch im Umgang mit Journalisten agiert Parteichef Lucke dünnhäutiger als früher, in letzter Zeit prangerte er auf der Facebook-Seite der Partei mehrmals Artikel über die AfD an.

Wie steht es um die Finanzen der Alternative für Deutschland?

Das Antreten bei der Bundestagswahl hat sich für die Partei zumindest in finanzieller Hinsicht gemacht: Ab 2014 kann die Bundesgeschäftsstelle der AfD am Berliner Lützowplatz mit knapp 1,8 Millionen Euro Wahlkampfkostenerstattung pro Jahr rechnen. Allerdings gibt sich die Partei bei ihren eigenen Finanzen nicht immer so transparent, wie sie es in Sachen Euro-Rettung verlangt. Für Schlagzeilen sorgte zum Beispiel kürzlich ein Millionenkredit, den die AfD im Sommer bei dem Hamburger Reeder Folkard Edler aufgenommen hatte. Der Zinssatz liegt offenbar weit unter den marktüblichen Konditionen. Außerdem wurde laut Lucke „die Umwandlung einer eventuell nach fünf beziehungsweise acht Jahren noch bestehenden Restschuld“ in eine Parteispende vereinbart. Vermutungen, das könnte als versteckte Parteienfinanzierung gewertet werden, weist Lucke zurück - erst im kommenden Jahr müsse die AfD ihren ersten Rechenschaftsbericht vorlegen. Dennoch soll die für Parteispenden zuständige Bundestagsverwaltung bereits einen Katalog mit entsprechenden Fragen an die Partei geschickt haben.

Für unproblematisch hält Lucke nach eigenen Worten auch die Abrechnung der sogenannten „Geldbombe“ – einer Spendenaktion im Internet, mit der die AfD kurz vor der Bundestagswahl knapp 500000 Euro eingenommen hatte. Die „Geldbombe“ war auf Betreiben eines Berliner AfD-Bundestagskandidaten zu Stande gekommen, der früher Mitglied in der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ des Ex-CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz war. Pikant an der Aktion ist, dass möglicherweise nur 75 Prozent der Spendensumme für die Arbeit der AfD verwendet werden können. Verträge der Partei mit einem Berliner Internet-Unternehmer, die dem Tagesspiegel vorliegen, belegen, dass 20 Prozent der Spendensumme als Provisionszahlung festgelegt worden waren – obwohl die Aktion vor allem von der AfD selbst auf deren Facebook-Seite beworben wurde und offenbar auch AfD-Mitglieder an der Programmierung der Spendenseite beteiligt waren. Für die elektronische Zahlungsabwicklung bezahlte die AfD zusätzlich noch einen zweiten Dienstleister.

Lucke verteidigt das Vorgehen mit dem Hinweis, dass die Provisionszahlungen insgesamt unter der parteienrechtlich erlaubten Grenze von 25 Prozent bleiben würden. Nach Informationen des Tagesspiegels hat das betreffende Ex-„Freiheit“-Mitglied allerdings eine vom Bundesvorstand verlangte Erklärung bisher nicht unterschrieben, nach der es zu keinem „Kickback“ kam, einer Umleitung von Provisionsgeldern zu Privatpersonen. AfD-Mitglieder beklagen sich nun in Briefen darüber, dass die Spender über die hohe Provisionszahlung im Unklaren gelassen worden seien. Lucke rechtfertigt sich damit, dass der AfD-Vorstand bisher erst einen Teil der Provision ausbezahlt habe und die erbrachten Leistungen seit September prüfe. Möglicherweise werden die finanziellen Fragen beim AfD-Parteitag am 25. Januar in Aschaffenburg zur Sprache kommen.

Wie stellt sich die Partei für die Europa-Wahl auf?

Als Erfolg würde bei der AfD ein Überspringen der momentan geltenden Dreiprozenthürde bei der Europawahl gewertet. Momentan kommt die Partei in bundesweiten Umfragen im Durchschnitt auf vier Prozent.

Beim zweiten Parteitag der AfD soll die Aufstellung der Liste für die Europawahl im Mittelpunkt stehen. Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass Hans-Olaf Henkel, früherer Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, an führender Stelle kandidieren wird – neben Lucke, der ebenfalls antreten will. Die Folgen einer Henkel-Kandidatur sind schwer abzuschätzen: So könnte der 73 Jahre alte frühere FDP-Sympathisant wirtschaftsliberal gesinnte Wähler von den Liberalen abziehen. Gleichzeitig aber rekrutiert sich ein größerer Teil der AfD-Wählerschaft aus ehemaligen Linkspartei-Wählern. Für sie dürfte Henkel kaum ein Sympathieträger sein. Andererseits böte eine Einbindung Henkels für die AfD die Möglichkeit, dem Vorwurf des Rechtspopulismus entgegenzutreten. Bei der Bundestagswahl hatten vor allem Union und SPD versucht, die Euro-Frage nicht zum Thema zu machen.

Bei der Europawahl wird dies wohl anders sein, sie könnte dargestellt werden als generelle Abstimmung über die Idee der europäischen Einigung. Die AfD könnte dann von der politischen Konkurrenz in eine Reihe gestellt werden mit Parteien wie dem Front National in Frankreich oder der Bewegung des Islamkritikers Geert Wilders in den Niederlanden. Aus der AfD heißt es zwar, man werde auf keinen Fall mit diesen Parteien kooperieren und zur Not auch ohne Einbindung in eine Fraktion im Europaparlament arbeiten. Doch eine klare Abgrenzung ist auch deshalb nicht gelungen, weil vor allem Funktionäre in den Landesverbänden immer wieder mit zumindest missverständlichen Äußerungen von sich reden machen.

Fabian Leber

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