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Altbundespräsident Joachim Gauck hat eine gesellschaftliche Debatte angestoßen.
© Friso Gentsch/dpa

Rechts, aber nicht extrem: Auch Konservative haben Recht auf politische Heimat

Joachim Gauck weiß wo es langgeht. Der frühere Bundespräsident weist den Konservativen den Weg – der CDU kann’s nur recht sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Nun ist Joachim Gauck doch kein Bundespräsident mehr, zwei Jahre schon nicht mehr – aber richtungweisend reden kann er noch immer. Und ein Gespür für gesamtgesellschaftliche Veränderung hat er sich außerdem bewahrt. Sein Hinweis darauf, wie mit dem Konservativismus umzugehen sei, hat es in sich.

Denn Tatsache ist: Auch der Konservative hat das Recht auf eine politische Heimat. Will heißen: sich mit tradierten Werten, mit Fortschrittsskepsis, mit dem Wunsch, das Bewährte mit Maß vorsichtig zu verändern, um es zu bewahren, in einer Partei wiederzufinden. Konservativ ist gerade nicht schlicht rechts, ist das Gegenteil von extrem.

Darum hat Gauck Partei ergriffen; zumal Partei vom lateinischen „Pars“ kommt, Teil, hier ganz besonders: Teil des Ganzen, das sich Demokratie nennt. Wie Gauck sich für mutige Intoleranz gegenüber den Intoleranten ausspricht, ist klare Bedingung wie zugleich der Aufruf zu Toleranz gegenüber denen, die rechts der Mitte stehen, sich aber gegen Rechtsaußen abgrenzen. Dialektik der feineren Art – und ein öffnender Weg für diejenigen, die sich als Konservative ungerecht gesehen und zunehmend ausgegrenzt fühlen.

Gauck macht in diesem Fall auch seiner Selbstbeschreibung Ehre. Vor bald einem Jahrzehnt meinte der seinerzeitige Präsidentschaftskandidat im Gespräch mit der „Welt“, das dann groß Runde machte, dass er, um seine Haltung zu begründen, immer Zuflucht zu dem polnischen Philosophen Leszek Kolakowski gesucht habe. „Der hat einmal darüber nachgedacht, ob er ein linker liberaler Konservativer oder ein konservativer liberaler Linker sei. Er sah in sich alle drei politischen Richtungen vereint, er hätte sich nicht für eine entscheiden können. So geht es, glaube ich, vielen in Deutschland, nicht nur mir“, sagte Gauck. Das gilt bis zum heutigen Tag. Mindestens.

Gaucks Worte als willkommene Hilfe für Kramp-Karrenbauer?

Konservativ, liberal und links, in eigener Mischung, ist übrigens noch jemand: Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie denkt wie Gauck, handelt im Blick auf die CDU entsprechend, um die Partei neu zu positionieren und die unter Angela Merkel verlorenen konservativen Wähler zurückzuführen – kann es nur nicht so formulieren. Gauck ist da eine willkommene Hilfe. Mit ihm verbindet sich der, sagen wir: normative Anspruch eher als mit ihr. Denn AKK ist auf Bundesebene weder den CDU-Mitgliedern noch den Bundesbürgern bekannt genug, als dass die einschätzen könnten, ob die Möchtegern-Merkel-Nachfolgerin eine Strategie verfolgt.

Das Überwölbende in Gaucks Worten ist darum umso nötiger. Es dient gesamtgesellschaftlich als Damm gegen das, was vom rechten Rand mit Macht die Mitte bedrängt – aber in dieser verbal geschützten Mitte lässt es sich sehr viel weniger beargwöhnt konservativ sein.

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