Protest der "Gelbwesten": Auch Frankreichs Bauern sehen jetzt gelb
Frankreichs Präsident Macron ruft zur Ruhe auf. Doch die Proteste im Lande weiten sich aus. Jetzt mobilisieren auch die Bauern.
Erste Erfolge haben die französischen „Gelbwesten“ mit ihrer Protestbewegung bereits errungen. Die Regierung will die umstrittene Erhöhung der Ökosteuer auf Treibstoff für sechs Monate aussetzen. Die Zeitung „Le Monde“ kommentierte am Mittwoch: „Macron und Philippe weichen zurück.“ Premierminister Edouard Philippe erklärte: „Keine Steuer ist es wert, die Einheit der Nation zu gefährden.“ Präsident Emmanuel Macron deutete ein weiteres Zugeständnis an. Regierungssprecher Benjamin Griveaux stellte am Mittwoch beim Sender RTL eine mögliche Rückkehr zur Vermögensteuer in Aussicht, wie sie die Protestbewegung fordert.
Doch die „Gelbwesten“ kündigten an, dass sie mit ihren Protesten weitermachen wollen: „Die Franzosen wollen keine Krümel, sondern das ganze Baguette“, hieß es am Mittwoch. In mehreren Landesteilen blockierten „Gelbwesten“ erneut Straßen und Treibstofflager. Den Protesten schlossen sich in Städten wie Marseille oder Lyon auch erneut Schüler an, die Parolen wie „Macron, tritt zurück“ skandierten. Der Unterricht in mehreren Dutzend Gymnasien fiel aus. Auch die Landwirte wollen nun massiv auf die Straße gehen. Die größte Bauern-Gewerkschaft FDSEA will die gesamte kommende Woche an verschiedenen Orten demonstrieren, wie sie am Mittwoch bekanntgab. Macron hat die Gewerkschaften, Arbeitgeber und politischen Parteien nun gebeten, „einen Aufruf zur Ruhe“ zu starten.
Ein erneuter Aktionstag ist für Samstag in Paris angekündigt. Die Polizei schließt nicht mehr aus, dass es Todesopfer geben könnte. In den sozialen Medien hatten extremistische Demonstranten zuvor angekündigt, dass sie mit Waffen kommen wollten. Es sei keine Demonstration mehr sondern ein „Krieg“. Die Zeitung „Liberation“ meint jedoch, die Proteste seien im Kern demokratisch und erinnerten an die Protestbewegung im Mai 1968: „Die sozialen Proteste sind vergleichbar im Bezug auf ihre hohe Mobilisierung und die Straßengewalt.“ Es bestehe aber das Risiko einer weiteren Radikalisierung. Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, der eine der führenden Figuren der 68er-Proteste war, wies den Vergleich zurück: „Niemals hat jemand einem anderen mit dem Tod gedroht, weil er diskutieren will.“ Die Äußerung bezieht sich auf Meldungen, moderate „Gelbwesten“, die mit der Regierung verhandeln wollten, hätten Morddrohungen erhalten.
Umfragewerte abgerutscht
Macrons Umfragewerte sind noch weiter abgerutscht. Er liegt laut einer Umfrage des Instituts Ifop nur noch bei 23 Prozent Zustimmung. 70 Prozent der Franzosen befürworten laut Umfragen die Proteste, wenn auch nicht die Gewalt dieser großen Volksbewegung, die keine Organisatoren hat. Viele erkennen die rechten Einflüsse. Auch Marine Le Pen, Präsidentin des rechtsradikalen Rassemblement national, unterstützt die Gelbhemden. Doch auch die Linken um Jean-Luc Mélenchon wollen die Bewegung für sich nutzen. Der liberale Philosoph Bernard-Henri Levy sprach ein wenig abfällig von „kleinbürgerlichen Protesten“.
Die Regierung hat bisher keine Strategie, um die Proteste einzudämmen. In der Nationalversammlung warfen am Mittwoch Oppositionspolitiker von rechts und links der Regierung vor, zu spät auf die Proteste reagiert zu haben und zu wenig nachzugeben. Längst gehen die Forderungen um mehr als um die Ökosteuer. Es werden umfassende Steuersenkungen, Renten- und Lohnerhöhungen gefordert. Cohn-Bendit, der bislang den Präsidenten unterstützte, erklärte dazu: „Macron hat keine Erfahrung, jetzt entdeckt er die Reichweite der Politik.“
US-Präsident Donald Trump hat den Rückzieher von Macron bei der Ökosteuer für eine Breitseite gegen den Vorreiter beim Klimaschutz genutzt. Trump setzte am Dienstag (Ortszeit) einen Tweet ab: „Ich bin froh, dass mein Freund @Emmanuel Macron und die Demonstranten in Paris zu derselben Schlussfolgerung gekommen sind wie ich vor zwei Jahren.“ Trump ist ein erklärter Gegner des Pariser Klimaschutzabkommens.
In Deutschland ist sich die Linkspartei uneinig über die Bewertung der Gelbwesten-Bewegung. Parteichef Bernd Riexinger geht auf Distanz. „Das Potenzial Ultrarechter in den Reihen der Bewegung ist besorgniserregend“, sagte Riexinger den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Mittwoch. Gleichwohl seien aber viele der Anliegen der Demonstranten in Frankreich durchaus berechtigt. Die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht hatte die „Gelbwesten“ Ende November als Vorbild auch für Deutschland bezeichnet, aber die Gewalt bedauert. (mit AFP)