Tödliche Schüsse in Dallas: Attentäter war offenbar Afghanistan-Veteran
Bei einem Protestmarsch gegen Polizeigewalt hat mindestens ein Heckenschütze in Dallas fünf Polizisten erschossen. Der mutmaßliche Schütze wurde von der Polizei mit einem auf einem Roboter befestigten Sprengsatz getötet.
Tödliches Ende einer friedlichen Demonstration gegen Polizeigewalt in den USA: Mindestens ein Heckenschütze hat in Dallas fünf Polizisten getötet. Mindestens sechs weitere Beamte seien verletzt worden, teilte die Polizei der texanischen Großstadt mit. Über die Anzahl der Schützen gibt es widersprüchliche Angaben. Die Polizei sprach erst von mehreren Tätern, wollten sich dann aber nicht mehr zur Zahl der Täter äußern. Unbestätigte US-Medienberichte zweifeln an, dass es mehrere Täter gegeben habe. Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass die Polizei inzwischen von einem einzelnen Schützen ausgehe.
Die Schüsse auf die Beamten fielen während eines Protestmarsches am Donnerstagabend (Ortszeit). Anlass für den Protestmarsch war der Tod von zwei Schwarzen, die in anderen US-Städten durch Polizeischüsse ums Leben gekommen waren.
"Es war das komplette Chaos." Cory Hughes ist in der Menge, die am Donnerstagabend in Dallas gegen Polizeigewalt demonstriert, als plötzlich Schüsse fallen. Die Schüsse "kamen von irgendwo", "wir dachten, die schießen auf uns", berichtet der Mann dem Fernsehsender CNN. Unter den Demonstranten bricht Panik aus, doch der oder die Heckenschützen haben es auf die Sicherheitskräfte abgesehen: mindestens fünf Polizisten sterben, sechs weitere werden verletzt. Zwei von ihnen schweben am Freitag noch in Lebensgefahr. Auch ein Zivilist wird getroffen.
Unter dem Motto Black Lives Matter (Das Leben von Schwarzen zählt) waren hunderte Menschen in der texanischen Metropole auf die Straße gegangen. "Da waren Schwarze, Weiße, Latinos, alle", sagt Hughes. "Das war eine gemischte Gemeinde, die protestierte." Anlass war der Tod von zwei Schwarzen durch die Polizei innerhalb von zwei Tagen. In Falcon Heights (Minnesota) war der 32 Jahre alte Philando Castile im Krankenhaus gestorben, nachdem ein Polizist bei einer Fahrzeugkontrolle auf ihn geschossen hatte. In Baton Rouge (Louisiana) hatten zwei Polizisten den 37-jährigen Alton Sterling auf einem Parkplatz zu Boden gezwungen und aus nächster Nähe erschossen.
Friedlicher Protest schlug in blanke Gewalt um
Doch was in Dallas als friedlicher Protest begann, schlug jäh in blanke Gewalt um. Von erhöhten Positionen aus hätten zwei Schützen das Feuer eröffnet, sagt Polizeichef David Brown in der Nacht zu Freitag.
US-Medien zeigen Bilder eines der mutmaßlichen Schützen, der Mann trägt eine helle Hose und hält ein Gewehr. Dann nimmt er die Waffe in Anschlag und feuert. "Das ist er, da, neben der weißen Säule, seht, er schießt nach links, nach rechts, woanders hin, man sieht, wie er auf jemanden zielt", beschreibt Ismael DeJesus, der aus einem Hotel heraus die Szene filmte. CNN veröffentlicht auch seine Bilder.
Dann habe sich der Mann umgedreht, um sicherzustellen, dass niemand hinter ihm sei, berichtet DeJesus. "Aber da kam ein Polizist, der ihn fassen wollte, aber das ist schlimm geendet. Es war wie eine Hinrichtung, ehrlich. Obwohl er (der Polizist) schon am Boden lag, hat der Mann noch drei oder vier Mal auf ihn geschossen", sagt der Augenzeuge weiter.
Auf einem anderen Video sind Schüsse zu hören, ein Zeuge ruft: "Oh mein Gott, das ist jemand, der bis auf die Zähne bewaffnet ist! Und er ist nicht allein." In weiteren Aufnahmen, die auf Twitter gepostet wurden, berichtet ein Zeuge von Menschen, die auf der Straße liegen. "Ich hoffe, sie verstecken sich nur."
Die Polizei nimmt drei Verdächtige fest, darunter eine Frau. Zwei Männer werden gefasst, nachdem in ihrem Auto Stofftaschen in Tarnfarben gefunden wurden. Ein weiterer Mann stellt sich selbst, nachdem ein Fahndungsfoto von ihm veröffentlicht wurde. Er kommt wenig später wieder auf freien Fuß. Möglicherweise seien aber noch nicht alle Verdächtigen gefasst, warnt Polizeichef Brown.
Der mutmaßlicher Heckenschütze verschanzte sich in einem Parkhaus und lieferte sich Schusswechsel mit Elitesicherheitskräften. Sie verhandelten stundenlang mit dem Verdächtigen, der angab, er habe "überall" im Parkhaus und in der Innenstadt Bomben gelegt. Erst nach Stunden meldeten Medien, der Mann sei tot.
Der getötete Verdächtige hatte nach Angaben der Polizei gesagt, er habe Weiße und insbesondere weiße Polizisten töten wollen. Er sei über die jüngsten Fälle von tödlichen Schüssen durch Polizisten aufgebracht gewesen. Wie Polizeichef David Brown mitteilte, tötete ihn die Polizei mit einem Sprengsatz, der von einem Roboter transportiert worden war. Der Mann habe sich auch gegen die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ gestellt. Er habe auch gesagt, er sei kein Mitglied einer Terrororganisation, sondern handele alleine, sagte Brown. „Nichts davon macht Sinn“, sagte Brown. Die Polizei ermittle mit größtem Druck weiter, solange würden keine Details zum Tathergang oder den anderen Festgenommenen mitgeteilt werden. Das US-Verteidigungsministerium erklärte später jedoch, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen Afghanistan-Veteranen handeln soll. Der 25-Jährige sei von November 2013 bis Juli 2014 am Hindukusch stationiert gewesen. Hinweise auf mögliche Verbindungen zu Terrororganisationen haben die Ermittler bisher nicht gefunden. Das sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Freitag in Warschau.
Mehrere Einheiten der Polizei durchsuchen derweil das Zentrum von Dallas nach Sprengsätzen. Der Einsatz werde dauern, sagt Polizeivertreter Max Geron. Der Luftraum über Dallas ist gesperrt - mit Ausnahme von Rettungsflügen. Der öffentliche Nahverkehr wird unterbrochen.
Vor dem Krankenhaus, in das die getöteten Kollegen gebracht wurden, haben sich Polizisten aufgestellt, die Hand feierlich zum Gruß erhoben oder auf's Herz gelegt. Was als Protest gegen tödliche Gewalt aus ihren Reihen begann, endete in einer blutigen und blinden Abrechnung mit den Sicherheitskräften.
Obama: Verabscheuungswürdige Tat
US-Präsident Barack Obama sagte, die Bluttat von Dallas sei ein gezielter Angriff auf Polizisten gewesen. Es handele sich um eine „bösartige, kalkulierte und verabscheuungswürdige“ Tat, sagte Obama am Freitagmorgen in Warschau. Die Polizisten seien dabei gewesen, Menschen zu beschützen, als sie angegriffen worden seien. Obama sagte den Behörden der Stadt seine vollste Unterstützung zu. „Wir stehen an der Seite der Menschen und der Polizei in Dallas.“
Der Präsident hält sich derzeit wegen des Nato-Gipfels in der polnischen Hauptstadt auf. Sein Sprecher Josh Earnest teilte mit, der Präsident habe sein Team gebeten, ihn laufend über die Situation in der Stadt zu informieren.
Die Polizei hatte die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Suche nach Verdächtigen gebeten und ein Foto veröffentlicht. Es zeigt einen Mann, der eine Waffe bei sich hat, und ein T-Shirt in Camouflage-Farben trägt. Er stellte sich, wurde inzwischen aber wieder freigelassen, wie die „Dallas Morning News“ berichtete.
Bei einem der Toten handelt es sich um einen Polizisten im Dienst des Nahverkehrsunternehmens DART. Drei weitere DART-Angehörige wurden verletzt, wie das Unternehmen auf Twitter mitteilte. Einige der getöteten Polizisten starben im Krankenhaus. (AFP/dpa)