Ukraine: Arseni Jazenjuk soll neuer Regierungschef werden
Der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk soll nach dem Machtwechsel in der Ukraine Interims-Regierungschef werden. Das schlug der Maidan-Rat am Mittwoch vor. Doch die Entscheidung stößt nicht nur auf Zustimmung.
Bevor das Parlament die Übergangsregierung in der Ukraine vermutlich am Donnerstag wählen wird, hat sich das künftige Kabinett Zehntausenden auf dem Maidan-Platz in Kiew gestellt. Der Maidan-Rat, ein Gremium, in dem alle Aktivistengruppen vertreten sind, präsentierte die Zusammensetzung der neuen Regierung. Und die holte sich die Zustimmung bei denjenigen, denen sie ihre Macht verdankt.
Mitten in der Kundgebung am Mittwochabend stand die betagte Galina. Die 80-Jährige sagt: „Ich will sehen, wen uns die Genossen wieder vorsetzen.“ Von den 21 Ministerposten, stellen die Maidan-Vertreter acht. Sogar das Verteidigungsministerium ist ihnen zugefallen. Premierminister wird Arsenij Jazenjuk. Der 39-Jährige, politisch erfahrene Gefolgsmann von Julia Timoschenko, wird ein Kabinett führen, dem viele politische Neulinge angehören. Bis auf den Vize-Premierminister für europäische Integration, Boris Tarasjuk, Energieminister Juri Prodan und Ludmilla Denisova, alle drei gehören zu Jazenjuks Vaterlandspartei, besteht das Kabinett aus Persönlichkeiten, die erstmals Regierungsverantwortung übernehmen.
Die Partei des Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch, die Partei der Regionen, ist nicht in der Übergangsregierung vertreten. Genauso wenig wie das politische Schwergewicht, der Oligarch und Schokoladenkönig Petro Poroschenko. Besonders bemerkenswert sind zwei Namen: Tatjana Tschornowil und Dmitri Bulatow. Die Journalistin und der Automaidan-Aktivist, waren während der Massenproteste im Dezember und im Januar von Unbekannten zusammengeschlagen, entführt und schwer verletzt worden. Tschornowil soll ein neues Anti-Korruptionskommittee leiten. Bulatow übernimmt das Jugend- und Sportministerium.
Die Menschenmenge auf dem Unabhängigkeitsplatz war nicht begeistert
Das Verteidigungsministerium soll von einem Vertreter der Afghanistanveteranen aus dem Krieg von 1979 bis 1989 geführt werden. Bis zum Abend konnte sich die Gruppe jedoch noch nicht auf einen Namen einigen. Andreij Parubiy, der Kommandeur der friedlichen Maidansicherheit „Samooborona“, wird den Posten des National- und Sicherheitsrates übernehmen. Ihn sollen die Journalistin Viktoria Syumar und der Anführer des gewaltbereiten „Rechten Sektors“ Dmitri Jarosch als Vizes unterstützen. Beide Personalien waren am Abend aber noch nicht endgültig geklärt.
Die Menschenmenge auf dem Unabhängigkeitsplatz war nicht begeistert. Die Buh-Rufe waren zahlreicher als der Applaus. Einzig die zukünftige, stellvertretende Ministerpräsidentin für humanitäre Fragen, die beliebte Sängerin, Olga Bogomolets, wurde mit Sprechchören gefeiert. Die sanfte Frau und gelernte Ärztin, hat den Medizinischen Dienst des Maidans geleitet. Sie sagte unter dem Jubel der Menge: „Wenn ich irgendwo Korruption sehe, werde ich zurück zum Maidan kommen und wieder bei euch arbeiten“.
Turtschinow gilt vielen als Vertreter der alten Politikerklasse
Besonders groß ist der Groll gegen Interimspräsident Alexander Turtschinow. Ein großer Teil der Menge buhte ihn aus. Turtschinow gilt vielen als Vertreter der alten Politikerklasse. Er rief in die Menge: „Ihr mögt das Parlament kritisieren, aber ihr habt derzeit keine andere legitimierte Vertretung. Also akzeptiert es!“ Darauf beruhigte sich die Menge wieder.
Arsenij Jazenjuk übernimmt ein schweres Amt: Das Land steht vor dem Staatsbankrott, im Süden zeichnet sich ein Konflikt mit Russland ab, und in zwei Monaten wird gewählt. Zudem stehen immer noch Tausende Menschen auf dem Maidan. Wenn immer sie unzufrieden sind, werden sie sich auf den Weg ins Regierungsviertel machen.
Am Donnerstag soll das Parlament Jazenjuk wählen. Es ist nicht sicher, dass er im ersten Wahlgang eine Mehrheit bekommt. Die Opposition, bestehend aus der Partei der Regionen, den Kommunisten sowie einer Reihe parteiloser Abgeordneter, könnte die Abstimmung verzögern oder Jazenjuk sogar durchfallen lassen.
Erste finanzielle Zusagen
Am Abend sagte US-Außenminister John Kerry der Ukraine eine Kreditbürgschaft von einer Milliarde US-Dollar (727 Millionen Euro) zu. „Wir schnüren erst mal eine Garantie von einer Milliarde Dollar, zusammen mit einigen weiteren Elementen“, sagte er am Mittwoch in Washington. Die EU bereitet nach seinen Worten Kreditbürgschaften in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar vor.