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Dieses von einer Drone aufgenommene Foto zeigt Zerstörungen im von Rebellen gehaltenen Viertel von Aleppo.
© Reuters

Syrien: Armee startet Bodenoffensive gegen Aleppo

Syrische Regierungseinheiten greifen in Aleppo in gepanzerten Fahrzeugen Stellungen der Aufständischen an. Das Deutsche Rote Kreuz spricht von einer beispiellosen humanitären Katastrophe.

Die syrische Armee hat in Aleppo offenbar eine großangelegte Bodenoffensive gestartet. Sie griff Stellungen der Rebellen an vier Orten gleichzeitig an, wie ein hochrangiger Vertreter der Aufständischen am Dienstag berichtete. Es handle sich um den größten Angriff seit Beginn des Vorstoßes der Regierung in der vergangenen Woche. „Sie arbeiten daran, jede Lücke zu erweitern, die sie finden“, sagte er. Dabei kämen auch Fassbomben und Hubschrauber zum Einsatz. Die Rebellen hätten die Angriffe zurückgeschlagen. Die Regierung ziehe jedoch an weiteren Stellen Soldaten zusammen.

Die Truppen bewegen sich nach Angaben eines regierungstreuen Milizenkommandeurs unter Führung einer Eliteeinheit in gepanzerten Fahrzeugen auf Rebellengebiete im Osten der Stadt zu. Auch im Südwesten Aleppos wurden Gefechte gemeldet. Außerdem griff die Regierung die Palästinenser-Siedlung Handarat im Norden der Stadt erneut an. Rebellen hatten die Soldaten erst am Wochenende wieder aus dem strategisch wichtigen Ort vertrieben.

Die Weltgesundheitsorganisation forderte Korridore, um verletzte und kranke Menschen aus den umkämpften Gebieten in Sicherheit zu bringen. Nur noch 35 Ärzte befänden sich in den belagerten Stadtvierteln, in denen schätzungsweise mindestens 250000 Menschen lebten. Ein Sprecher des US-Präsidialamtes warf Russland vor, gezielt die Wasservorräte für Flüchtlingslager, Hilfskonvois und die Hilfsorganisation Weißhelme anzugreifen. Dieses Vorgehen sei inakzeptabel.

Nach dem Zusammenbruch der Feuerpause gehen die Regierungstruppen mit Hilfe der russischen Luftwaffe und iranischer Kämpfer wieder verstärkt gegen die Aufständischen in Aleppo vor. Erklärtes Ziel ist es, die Rebellen in der früheren syrischen Handelsmetropole endgültig zu besiegen.

Hunderttausende seien ohne Wasser und Strom, beklagt Seiters

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat angesichts der katastrophalen Lage in der umkämpften eine sofortige Waffenruhe über mehrere Tage gefordert. Es sei „beschämend“, wie sich die politischen Akteure gegenseitig die Schuld an der militärischen Eskalation in Syrien zuschöben, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er sei „entsetzt“, dass sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit „eine beispiellose humanitäre Katastrophe abspiele“, betonte der frühere Bundesinnenminister. Eine längere Kampfpause sei dringend erforderlich, um die Zivilbevölkerung in Aleppo mit Nahrung, Trinkwasser und Medikamenten versorgen zu können. Hunderttausende seien ohne Wasser und Strom, beklagte Seiters.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), hat an die Staatengemeinschaft appelliert, auf eine langfristige Friedenslösung für Syrien hinzuarbeiten. Auch wenn dies nach den jüngsten Ereignissen fast aussichtslos erscheine, müsse immer wieder versucht werden, auf dem Verhandlungsweg etwas zu erreichen, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. Zunächst aber sei erneut eine Feuerpause nötig, um eine humanitäre Versorgung zu ermöglichen. Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Michael Brand (CDU), forderte eine Schutzzone für die Zivilbevölkerung. „Das Inferno in Aleppo ist zum Heulen“, sagte Brand der „Rheinischen Post“. „Und jeder, der nur ein Stück Menschlichkeit im Frack hat, darf nicht länger Taktieren mit Hunderttausenden von Menschenleben.“ (rtr/KNA)

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