Anklage in der Türkei: Anwalt von Deniz Yücel drohen zwei Jahre Haft
Veysel Ok hat schon viele Journalisten vor türkischen Gerichten vertreten. Wie die "Welt am Sonntag" berichtet, gerät der Anwalt nun selbst ins Visier der Justiz – wegen einer Beschwerde Erdogans.
Dem Verteidiger des bis vor kurzem in der Türkei inhaftierten "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel drohen einem Medienbericht zufolge zwei Jahre Haft. Veysel Ok ist wegen Beleidigung der Justiz angeklagt, wie die "Welt am Sonntag" berichtete. Der Anwalt hatte am 25. Dezember 2015 in einem Interview mit der mittlerweile eingestellten Zeitung "Özgür Düsünce" unter anderem erklärt, die türkische Justiz sei "durchgängig gleich gefärbt" und spreche "mit einer Stimme".
Das Verfahren gegen Ok sei laut Anklageschrift nach einer Beschwerde aus dem Büro von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan begonnen worden, erfuhr die "WamS" von Oks Verteidigerteam. Der Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht in Istanbul begann am 19. September 2017. Am kommenden Mittwoch stehe nun die vierte Sitzung an, in der auch das Urteil erwartet werde.
"Glaube nicht, dass die Gerichte unabhängig sind"
Ok verteidigte Yücel seit dessen Festnahme wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Volksverhetzung im Frühjahr des vergangenen Jahres. Er ist noch immer Yücels Verteidiger in dessen fortdauernden Verfahren vor dem Strafgericht in Istanbul und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Yücel wurde im Februar 2018 vorläufig auf freien Fuß gesetzt und hat die Türkei mittlerweile verlassen.
In seiner Stellungnahme zur Anklage hatte Ok erklärt: "Ich habe schon sehr viele türkische Journalisten vor Gericht verteidigt. Und fast alle wurden inhaftiert. Ich habe lediglich meine Erfahrung als Rechtsanwalt mitgeteilt. Ich glaube nicht, dass die Untersuchungsgerichte unabhängig sind." Er sei "selbst Teil des Justizsystems. Ich hatte nicht die Absicht, es zu beleidigen. Aber ich bin berechtigt, das Justizsystem zu kritisieren".
Mit Ok ist auch der Reporter Cihan Acar angeklagt, der das Interview geführt hatte. Im Verfahren gegen Ok hatte ein Rechtsvertreter Erdogans beantragt, im Namen des Präsidenten gehört zu werden. Dem gab das Gericht jedoch nicht statt, weil Erdogan durch Oks Äußerung "nicht unmittelbar geschädigt" worden sei. (AFP)