Flughafen Istanbul: Anschlag am Atatürk-Airport - drei Explosionen, viele Tote
Am Istanbuler Atatürk-Flughafen haben sich am Dienstagabend drei Explosionen ereignet. Auch von Schüssen ist die Rede. Mindestens 28 Menschen sollen getötet, Dutzende verletzt worden sein.
Am Istanbuler Atatürk-Flughafen hat es am Dienstagabend einen Sprengstoffanschlag gegeben. Zwei Selbstmordattentäter sprengen sich kurz vor 22 Uhr in der Ankunftshalle des internationalen Airports in die Luft. Ein dritter Mann entkommt angeblich zunächst, feuert mit einer Kalaschnikow, bevor er sich dann ebenfalls in die Luft sprengt. Ein Polizist soll noch einen der Selbstmordattentäter auf den Boden gerungen haben. Die Tageszeitung "Hürriyet" berichtet sogar von bis zu sieben Terroristen. Dafür gibt es jedoch keine offizielle Bestätigung. Der Gouverneur von Istanbul sprach am späten Abend von 28 Toten und 60 Verletzten.
Unter den Toten und Verletzten sind auch Ausländer. Die überwiegende Mehrheit der Opfer seien Türken, hieß es jedoch aus türkischen Regierungskreisen. Mehrere der Toten sollen Polizisten gewesen sein, melden türkische Medien. Genaue Angaben über die Nationalitäten liegen noch nicht vor. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass Deutsche betroffen seien.
Der Anschlag zielt nach den Worten von Präsident Recep Tayyip Erdogan darauf, die Türkei zu untergraben. "Es ist eindeutig, dass dieser Angriff keinen anderen Zweck hat, als Propaganda gegen unser Land zu schaffen", erklärte Erdogan in der Nacht zu Mittwoch. Dazu werde das Blut unschuldiger Menschen vergossen und Angst verbreitet. Er erwarte, dass die Weltgemeinschaft eine "entschlossene Haltung" gegenüber Terrorgruppen einnehme, hieß es in der Erklärung des Präsidenten.
"Ich bin entsetzt über die Nachrichten aus Istanbul", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einer ersten Reaktion, die das Auswärtige Amt über Twitter verbreitete. "Unsere Gedanken gelten in diesen Stunden den Menschen in der Türkei."
Türkischer Sicherheitsexperte vermutet IS hinter dem Anschlag
Zum Hergang zitierte die Nachrichtenagentur AP Justizminister Bekir Bozdag mit den Worten, ein Terrorist habe zuerst mit einer Kalaschnikow um sich geschossen und dann einen Sprengsatz gezündet. Die Waffe ist auch bei Twitter zu sehen. Der Minister sagte außerdem, es gebe Informationen, wonach es auch am Eingang zur Metro am Flughafen eine Detonation gegeben habe.
Ein Anschlag, der nach dem Islamischen Staat aussieht und dem Terroranschlag auf dem Brüsseler Flughafen im vergangenen März, kommentierte Metin Gürcan, ein renommierter Sicherheitsexperte und früherer Offizier der türkischen Armee. Doch auf die TAK, eine Splittergruppe der kurdischen Untergrundarmee PKK, hatte weitere Anschläge in der Türkei angekündigt, sogar gezielt gegen Touristen.
Teile der Deckenverkleidung liegen auf der Auffahrt neben der langen Reihe der Flughafentaxis, weggesprengt von der Wucht der Druckwelle, umgekippte Gepäckwagen und liegengelassene Kinderwägen stehen noch in den Eingängen, die Ankunftshalle ist völlig leer. Der Nachrichtenagentur DHA zufolge wurden der Ankunfts- und der Abflugbereich vollständig gesperrt.
Krankenwagen und Polizeiwagen mit Blaulichtern stehen kreuz und quer auf der Fahrbahn zwischen Ankunftshalle und Parkgebäude. Die Verletzten werden in das staatliche Krankenhaus von Bakirköy, dem nächsten Stadtviertel, gefahren. Die Behörden riefen "Hürriyet" zufolge die Bevölkerung dazu auf, in den Krankenhäusern nahe des Flughafens vorsorglich Blut zu spenden. Im Fastenmonat Ramadan gehe das Spendenaufkommen für gewöhnlich zurück. Ein Teil der Stadtautobahn ins Zentrum von Istanbul bleibt abgeriegelt.
Am Atatürk-Flughafen wurde der Flugverkehr vorläufig komplett eingestellt. Alle Flüge würden bis Mittwochmorgen um 8 Uhr Ortszeit zu anderen Flughäfen umgeleitet, hieß es aus türkischen Regierungskreisen.
Die genauen Auswirkungen auf den Flugverkehr lassen sich allerdings noch nicht abschätzen. Eine am Dienstagabend mit 209 Passagieren von Berlin-Tegel in Richtung Istanbul gestartete Maschine der Turkish Airlines habe Ankara ansteuern müssen, sagte ein Flughafensprecher. Am Mittwoch würden regulär fünf Flüge von Tegel nach Istanbul abgehen. Vom Flughafen Schönefeld aus fliegen zwei Gesellschaften: Air Pegasus und Onur Air. Deren Flüge wurden bis Mitternacht ebenfalls noch nicht gestrichen. Allerdings sind kurzfristige Änderungen möglich.
Serie von Anschlägen seit Sommer vergangenen Jahres
Der Atatürk-Flughafen ist der größte Flughafen des Landes. In der Türkei gibt es Sicherheitskontrollen in den Eingangshallen jedes Flughafens. Dadurch konnten die Terroristen - anders als in Brüssel - nicht weiter in das Gebäude vordringen. Wie schon bei früheren Anschlägen verhängten die Behörden auch am Dienstag eine Nachrichtensperre.
Seit dem Sommer vergangenen Jahres wird die Türkei von Terroranschlägen des Islamischen Staats und der PKK erschüttert. In Istanbul ist es bereits der dritte seit Beginn dieses Jahres. Vor drei Wochen waren bei einem Anschlag in Istanbuls Stadtmitte elf Menschen getötet worden. Zu dieser Tat bekannte sich eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verübt in türkischen Metropolen Anschläge.
Ein Drittel weniger ausländische Besucher als im Vorjahr um diese Zeit verzeichneten die Behörden. Lange Schlangen bei der Passkontrolle vor der Einreise auf dem Atatürk-Flughafen gab es in den vergangenen Wochen nicht mehr. (mit Reuters, dpa, AFP)