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Seit dem Putsch und den verbalen Attacken Erdogans ist das deutsch-türkische Verhältnis extrem angespannt.
© imago/Depo Photos

Deutsch-türkisches Verhältnis: Ankara wirbt um deutsche Wirtschaftshilfe

Die Türkei wünscht sich, dass sich das Verhältnis zu Deutschland normalisiert. Die türkische Wirtschaft brauche Deutschland, sagt Vizepremier Simsek.

Mit einem Kursfeuerwerk hat die Istanbuler Börse am Montag die neue Woche eingeläutet. Mit rund 93.400 Punkten erreichte das Börsenbarometer am Nachmittag einen neuen historischen Höchststand. Marktteilnehmer sprachen von risikofreudigen Investoren und einer politischen Landschaft, die nach der Zustimmung der Türken zum Präsidialsystem in der umstrittenen Volksabstimmung vor einer Woche zumindest die Aussicht auf Stabilität bereithält.

Vizepremier Mehmet Simsek dürfte sich über die positive Börsenreaktion ganz besonders gefreut haben, denn er hatte zu Wochenbeginn um deutsche Wirtschaftshilfe geworben. „Ich denke, dass die Zeit kommen muss, zu einer Normalität in den Beziehungen zurückzukehren“, sagte Simsek, der in der Regierung die Hauptverantwortung für die Wirtschaftspolitik trägt, der „Bild“. Die G-20-Finanzminister hätten bereits über Möglichkeiten gesprochen, der türkischen Wirtschaft auf die Beine zu helfen. „Dafür brauchen wir Deutschland“, sagte Simsek.

Die Bundesrepublik ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Türkei, die 2016 auf weltweite Exporte im Wert von 142 Milliarden Dollar kam. Die Serie von Terroranschlägen im vergangenen Jahr, der Putschversuch im Juli und die politischen Spannungen seither haben wichtige Branchen wie den Fremdenverkehr schwer getroffen.

Zwar war das türkische Wachstum im vergangenen Jahr mit 2,9 Prozent überraschend stark, doch es reichte nicht, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in dem Land mit seiner jungen Bevölkerung und zwei Millionen Flüchtlingen zu verhindern: Die Erwerbslosenrate liegt bei 12,1 Prozent, so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr.

Im Bundestag und bei der Wirtschaft ist man skeptisch

Doch die von Simsek geforderte Rückkehr zur Normalität wird schwierig. Im Bundestag trifft Simseks Hilferuf auf Skepsis. Zwar dürften nicht alle Brücken abgebrochen werden, sagte der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu dem Tagesspiegel. „Aber es ist eine große Dreistigkeit, wenn Vizepremier Simsek jetzt so tut, als wäre nichts geschehen.“ Mutlu verwies auf die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in Istanbul und darauf, dass 17 Bundesbürger in der Türkei mit einem Ausreiseverbot belegt seien. Zudem müsse in der Türkei Rechtssicherheit geschaffen werden, betonte Mutlu. „Wenn deutsche Unternehmen in der Türkei investieren sollen, muss sichergestellt werden, dass sie nicht der staatlichen Willkür ausgesetzt sind.“

Das sehen Wirtschaftsvertreter ähnlich. Der Manager eines westlichen multinationalen Unternehmens, das seine Zelte in der Türkei abgebrochen hat, sprach ebenfalls von sinkender Nachfrage und wachsender Rechtsunsicherheit. Die Türkei werde als regionaler Stützpunkt für Geschäfte im Nahen Osten und Afrika derzeit von Golfstaaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten abgelöst, sagte der Geschäftsmann, der namentlich nicht genannt werden wollte. Ähnliches höre er aus anderen Unternehmen.

Westliche Politiker müssen ihren Wählern erklären, warum sie einem Land wirtschaftlich helfen wollen, dessen Staatschef den Westen in den vergangenen Monaten mehrmals mit Nazi-Vorwürfen und dem Etikett antimuslimischer „Kreuzzügler“ belegt hat. Zudem begleitet Präsident Recep Tayyip Erdogan seine antiwestliche Rhetorik mit dem Versprechen, die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die politische Tagesordnung zu setzen. Eine Rückkehr der Türkei zu Hinrichtungen wäre das Ende ihrer EU-Bewerbung und ihrer Mitgliedschaft im Europarat. Ein Verlust dieser Bindungen würde weitere Investoren abstoßen.

Erdogan hatte auch nach dem Verfassungsreferendum seine Kritik am Westen erneuert. Mutlu äußerte in dem Zusammenhang Zweifel an Simseks Einfluss auf die türkische Führung. „Es gibt kein Anzeichen dafür, dass Herr Erdogan verbal abrüstet.“

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