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Zahlreiche Gefangene sitzen in der Türkei im Istanbuler Silivi-Gefängnis ein.
© Reuters/Osman Orsal

Türkei: Ankara lässt erneut Deutschen festnehmen

Bei Razzien gegen Journalisten und Mitglieder einer linken Partei in Istanbul ist erneut ein Bundesbürger festgenommen worden.

Die türkischen Behörden haben erneut einen Bundesbürger wegen Terrorverdachts festgenommen. Bei einer Razzia gegen Mitarbeiter der linken Nachrichtenagentur Etha in Istanbul nahm die Polizei am Freitag unter anderem den Deutsch-Türken Adil Demirci aus Köln in Gewahrsam. Die Festgenommenen wurden von der Istanbuler Antiterror-Polizei verhört; möglicherweise ging es bei der Polizeiaktion um die Verhinderung von Protesten zum bevorstehenden Maifeiertag. Im vergangenen Jahr war bereits die deutsche Etha-Mitarbeiterin Mesale Tolu kurz vor dem 1. Mai in Haft gekommen, befindet sich inzwischen aber auf freiem Fuß. Die erneuten Festnahmen könnten die seit einiger Zeit laufenden Bemühungen um ein Ende der Dauerkrise in den deutsch-türkischen Beziehungen erschweren.

Die Istanbuler Anwältin Gülhan Kaya sagte, bei den Razzien der Polizei in den Wohnungen der Betroffenen seien am frühen Freitagmorgen fünf Menschen festgenommen worden. Darunter ist die Etha-Chefredakteurin Semiha Sahin, die zugleich Vorstandsmitglied der kleinen Linkspartei ESP ist.

Nach Angaben der Partei wurden zusätzlich zu Sahin, Demirici und deren Kollegen im Laufe des Tages noch 19 ESP-Mitglieder, ein weiterer Etha-Mitarbeiter sowie ein Journalist der linken Tageszeitung „Evrensel“ beim Verteilen von Flugblättern zum 1. Mai in Istanbul festgenommen worden. Das Flugblatt ruft zu Demonstrationen auf und kritisiert den türkischen Feldzug im syrischen Afrin sowie Ankaras Kurdenpolitik.

Die Ermittlungen sind als Geheimverfahren eingestuft

Die Behörden haben Etha bisher nicht verboten, jedoch den Zugang zur Etha-Internetseite in der Türkei gesperrt. Die kleine Agentur stützt sich überwiegend auf freiwillige Mitarbeiter. Der jetzt festgenommene Demirci arbeitet als Korrespondent für die Etha in Köln. Zudem wird er als Mitarbeiter des Jugendmigrationsdienstes Remscheid aufgeführt; die Organisation kümmert sich um Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund.

Demirci war zusammen mit seiner Mutter zu Besuch in Istanbul und wollte an diesem Samstag nach Deutschland zurückkehren. Anwältin Kaya sagte, gegen Demirci laufe ein gesondertes Ermittlungsverfahren. Das Auswärtige Amt in Berlin bemühte sich am Freitag noch um Aufklärung bei den türkischen Behörden.

Ob die Festnahmen etwas mit dem Mai-Flugblatt zu tun hatten, blieb zunächst offen: Die Ermittlungen sind als Geheimverfahren eingestuft, was bedeutet, dass die Verteidiger der Festgenommenen erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Verhöre die Akten einsehen dürfen. Das kann einige Tage dauern.

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