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Angriffslustig. Boris Johnson mustert seinen Widersacher Jeremy Corbyn.
© Jonathan Hordle/AFP

Erstes TV-Duell zwischen Johnson und Corbyn: Angriffslustiger Regierungschef, genervter Herausforderer

Im ersten TV-Duell zischen Boris Johnson und Jeremy Corbyn überwiegt die Langeweile. Nur der Twitter-Account der Tories empört viele Beobachter.

55 Minuten Sendezeit, dazwischen mehrere Minuten Werbung: Das Fernsehduell ließ dem konservativen Premierminister Boris Johnson und seinem Labour-Herausforderer Jeremy Corbyn am Dienstagabend kaum Zeit, geordnete Argumente vorzubringen. Der Regierungschef wirkte angriffslustiger, überzog dauernd seine Redezeit, weshalb die Moderatorin ihm zunehmend genervt mit „Danke, Mister Johnson“ ins Wort fiel. Eine YouGov-Blitzumfrage sah das Land noch schärfer gespalten als beim Brexit-Referendum vor drei Jahren: Die Befragten entschieden sich mit 51:49 Prozent für Johnson als Gewinner.

In die Diskussion über Inhalt und Format der Sendung mischte sich am Mittwoch Empörung über die Presseabteilung der Tories. Diese hatten während der Debatte ihren Twitter-Account in „factcheckUK“ umbenannt, sich also den Anschein von Objektivität gegeben, dabei aber unaufhörlich Corbyn kritisiert. Twitter drohte im Wiederholungsfall mit ernsten Konsequenzen, die unabhängige Wahlkommission mahnte zu verantwortungsvollem Vorgehen.

Im Durchschnitt der Umfragen liegen die Konservativen seit Wochen mit 40 Prozent deutlich vor Labour (29) und den Liberaldemokraten (16). Dem Oppositionsführer im dunkelblauen Anzug und roter Krawatte musste deshalb an einer guten Vorstellung gelegen sein. Stattdessen wirkte Corbyn durch seine dunkle Brille und einen etwas mürrischen Gesichtsausdruck zunächst genervt von der Sendung, die der Kommerzsender ITV aus einem Studio in Salford bei Manchester live übertrug. Im Lauf der Sendezeit gewann der 70-Jährige an Sicherheit und brachte sein wichtigstes Argument vor: Nach neun Jahren Sparpolitik brauche das Land nun ein massives Investitionsprogramm, vor allem für das nationale Gesundheitssystem NHS. Dieses sei durch angebliche Privatisierungspläne der Tories gefährdet.

Den Vorwurf wies der 55-jährige Premier Johnson empört zurück, bezichtigte im Gegenzug seinen Kontrahenten, diesem fehle eine glaubwürdige Brexit-Politik. Das Publikum schien dem Amtsinhaber recht zu geben: Als Corbyn von der „Klarheit“ seiner Haltung zum EU-Austritt sprach, erscholl höhnisches Gelächter. Allerdings erlebte Johnson dieselbe Demütigung, als es um beider persönliche Integrität ging.

Für wichtige Themen wie Klimapolitik oder Wirtschaft blieb kaum Zeit

Mehrfach wiederholte der inzwischen dritte Regierungschef in der seit 2010 anhaltenden konservativen Ära seine Behauptung, er werde bei einem Wahlsieg den EU-Austritt zum 31. Januar bewerkstelligen. „Get Brexit Done“ ist der wichtigste Slogan im Tory-Wahlkampf. Johnson brachte den Satz mehr als ein halbes Dutzend Mal unter, zuletzt unter dem Stöhnen der Studiogäste. Corbyn sprach von einer Neuverhandlung binnen drei Monaten und einem neuen Referendum binnen sechs; ob er am Ende für den selbst ausgehandelten Deal oder aber für den EU-Verbleib werben wolle, ließ der eingefleischte Europaskeptiker offen.

Für andere wichtige Themen wie die Klimapolitik, Bildung oder Wirtschaft und Finanzen blieb kaum Zeit. Dafür brachte die Moderatorin Julie Etchingham die Vorwürfe gegen Prinz Andrew und dessen Verbindungen zu einem Sexualverbrecher zur Sprache. Sie wollte wissen, wie die Monarchie dastehe. „Könnte besser sein“, erwiderte Corbyn unter dem Beifall des Publikums. Hingegen traf Johnsons loyale Einschätzung einer „tadellosen Institution“ auf eisiges Schweigen.

In seinem Beharren auf dem Brexit-Thema glich Johnson seinem Vorvorgänger und langjährigen Rivalen David Cameron. Dessen Wahlkampf 2015 kontrastierte unablässig die vermeintliche Finanzkompetenz der Tories mit der „Koalition des Chaos“ aus Labour und schottischen Nationalisten. Allerdings konterte Corbyn auf den Vorwurf angeblicher Geheimabsprachen, indem er auf die Dauerquerelen innerhalb der Tories verwies: „Eine Chaos-Koalition hatten wir jetzt neun Jahre lang.“

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