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Regierungstreue Kämpfer trafen am Mittwoch wenige Kilometer vom Flughafen von Hudaida ein.
© Nabil Hassan/AFP

Bürgerkrieg: Angriff auf zentralen Hafen in Jemen

Die Vereinten Nationen bezeichnen den Krieg im Jemen als die weltweit schlimmste humanitäre Katastrophe. Eine neue Militäroffensive zielt auf die „Lebensader“ des Landes.

Der lang erwartete Angriff auf die für die Versorgung des Jemens zentrale Hafenstadt Hudaida hat begonnen. Die Befreiung der Stadt sei ein Meilenstein im Kampf, den Jemen von den Huthi-Milizen zurückzuerobern, teilte die international anerkannte jemenitische Regierung am Mittwoch mit. Zudem solle damit auch die Sicherheit in der Meerenge Bab al-Mandab wiederhergestellt werden. Die Wasserstraße zwischen der arabischen Halbinsel und dem Horn von Afrika zählt zu den wichtigsten Routen für Öltanker.

Die Vereinten Nationen hatten vor dem Angriff vor verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung gewarnt und ihre Präsenz in dem Bürgerkriegsland geändert. Rund zwölf UN-Mitarbeiter hätten Hodeida verlassen, aber etwa 41 seien noch vor Ort, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Mittwoch in New York. Sie würden derzeit rund 70 000 Hilfspakete verteilen, die jeweils unter anderem Essen für eine Familie für zwei Wochen enthielten. Der UN-Sicherheitsrat wollte sich am Donnerstag ab 18.00 Uhr MESZ hinter verschlossenen Türen noch einmal mit dem Konflikt beschäftigen. Großbritannien hatte um das Treffen gebeten, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Diplomaten-Kreisen erfuhr.

Über die Stadt laufen 70 Prozent der Hilfslieferungen

Die Hafenstadt im Westen des Bürgerkriegslandes ist zentral für die Versorgung des Jemens. Über Hudaida laufen 70 Prozent der dringend benötigten Hilfslieferungen für den von den Huthi-Rebellen kontrollierten Norden des Landes. Auch die Stadt selbst wird seit rund drei Jahren von den Huthis kontrolliert. Hilfsorganisationen schätzen, dass rund 600 000 Menschen, darunter etwa die Hälfte Kinder, in und um Hudaida leben. Die UN warnten davor, dass 250 000 Menschen durch einen Angriff auf die Stadt alles verlieren könnten, inklusive ihrer Leben.

Die Offensive auf Hudaida habe mit Luftangriffen auf Ziele südlich der Stadt begonnen, hieß es aus jemenitischen Militärkreisen. Eine Militärkoalition unter Führung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt die Offensive. Regierungstreue Milizen rücken am Boden vor. Landwirtschaftliche Gebiete und Bauernhöfe nahe der Stadt seien von den Huthi-Milizen in Militärstellungen umgewandelt worden, hieß es aus Militärkreisen.

In 30 Minuten gab es 30 Angriffe

Die vor Jahren aus der Hauptstadt Sanaa geflohene Regierung machte in einer Mitteilung deutlich, dass die Offensive auf Hudaida erst der Beginn sei, das gesamte Land von den Huthis zurückzuerobern. Die internationale Gemeinschaft sei mehr als einmal gebeten worden, ihrer Verpflichtung nachzukommen, kritisierte die Regierung.

Berichte von vor Ort bestätigten die schlimmsten Befürchtungen, sagte der Generalsekretär der Hilfsorganisation Care Deutschland, Karl-Otto Zentel. Innerhalb von 30 Minuten habe es mehr als 30 Angriffe gegeben. Viele Menschen seien eingeschlossen oder würden aus ihren Häusern vertrieben. „Der Angriff bedeutet Todesgefahr für unzählige Anwohner. Zudem droht die Versorgung von Millionen von Jemeniten zusammenzubrechen.

„Die humanitäre Situation im Jemen ist schon jetzt katastrophal“, schrieb der Präsident des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), Peter Maurer, auf Twitter. „Der Kampf um Hudaida könnte das Leid der Menschen auf ein unvorstellbares Level bringen.“

In der Stadt waren Explosionen zu hören

Anwohner berichteten der Deutschen Presse-Agentur von zahlreichen Kampfjets, die über die Stadt flögen. Es seien zahlreiche Explosionen von Luftangriffen und Bombardierungen durch Kriegsschiffe südlich der Stadt zu hören. Im Stadtzentrum selbst zögen sich Kämpfer der Huthis zusammen.

Der UN-Sondergesandte Martin Griffiths hatte bis zuletzt versucht, den Angriff zu verhindern. In einer Stellungnahme rief er alle Konfliktparteien am Mittwoch dazu auf, eine weitere militärische Eskalation zu verhindern. „Ich kann nicht genug betonen, dass es keine militärische Lösung für diesen Konflikt gibt“, sagte Griffiths. Die UN bezeichnen die Situation im Jemen schon jetzt als größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart. Rund 22 Millionen Menschen seien auf Hilfe angewiesen, dies entspreche dreiviertel der Bevölkerung. Zuletzt hatte eine Cholera-Epidemie mit mehr als einer Million Fällen die Lage im Land verschlechtert.

Zehntausende flohen bereits aus ihren Häusern

Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, Ali al-Ahmed, hält die Vermittlungsbemühungen des UN-Sondergesandten für gescheitert. Seit einem Jahr habe es keine Fortschritte gegeben, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Eine militärische Lösung ist deutlich näher als eine politische Lösung.“

Die jemenitischen Regierungstruppen hatten im Oktober zusammen mit ihren Verbündeten eine groß angelegte Militäroffensive gestartet, um auf den Seehafen von Hudaida vorzurücken. Sie werfen den Huthis zudem vor, vom Iran unterstützt zu werden. Die Kämpfe waren zuletzt nur noch wenige Kilometer von der Stadt entfernt. Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge mussten Zehntausende Menschen wegen der Gewalt bereits aus ihren Häusern fliehen.

Die Krise verschärft sich immer mehr, seit Monaten

Im Gespräch mit der Denkfabrik International Crisis Group warnte ein Huthi-Offizieller die Angreifer vor dem Sturm auf die Stadt. Die Koalition werde beim Angriff auf Hudaida „die Hölle erwarten“. Beobachter fürchten, dass sich der Kampf um die Hafenstadt lange hinziehen könnte.

Die EU rief alle Beteiligten dazu auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten und den Schutz von Zivilisten an oberste Stelle zu stellen. Dies bedeute auch, dass der Hafen von Hudaida für humanitäre Hilfe zur Verfügung stehen müsse, sagten die Außenbeauftragte Federica Mogherini und EU-Kommissar Christos Stylianides in Brüssel. Die humanitäre Lage im Jemen sei ohnehin schon katastrophal.

Auch die Bundesregierung zeigte sich besorgt. „In einem dicht besiedelten urbanen Umfeld besteht das Risiko schwerwiegender humanitärer Konsequenzen“, sagte ein Sprecher. Schon die Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen hätten die Krise weiter verschärft. (dpa)

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