Jahresberichte von Unicef und GIZ: Angriff auf die Kinder
250 Millionen Kinder leben im Krieg. Unicef fordert mehr Hilfe für Krisengebiete. Die deutsche Entwicklungshilfe wird aufgestockt.
250 Millionen Kinder leben im Krieg. Das geht aus dem neuesten Report des UN-Kinderhilfswerks Unicef hervor. Die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit sind ebenfalls Kinder. Das gilt auch für die rund acht Millionen Menschen, die durch den Syrienkrieg ihre Heimat verloren haben. „Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg haben so viele Kinder unter den Folgen von Konflikten, Krisen und Naturkatastrophen gelitten wie heute“, sagte Jürgen Heraeus, der Vorsitzende von Unicef Deutschland am Dienstag bei der Vorstellung des Berichts. Das Kinderhilfswerk fordert einen größeren Einsatz von Staaten aber auch von den Zivilgesellschaften, damit Kinder vor Gewalt geschützt werden und bessere Lebensbedingungen erhalten. „Kinder müssen in Würde aufwachsen können“, sagte auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Jedes Kind müsse die Chance bekommen, eine Schule zu besuchen.
Deutschland stellt nach Auskunft des Entwicklungsministeriums derzeit mehr als drei Milliarden Euro für Länder zur Verfügung, die Flüchtlinge aufgenommen haben sowie für die langfristige Fluchtursachenbekämpfung. Tendenz steigend. Schul- und Ausbildungsprogramme nehmen dabei einen großen Raum ein, wie die Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Tanja Gönner, am Dienstag bei der Jahrespressekonferenz der staatlichen Entwicklungsagentur sagte. 2017 soll der Entwicklungsetat noch einmal um 500 Millionen Euro auf dann fast acht Milliarden Euro aufgestockt werden.
Cornelius Williams ist gerade aus Afrika zurückgekehrt. Der Leiter der weltweiten Kinderschutzprogramme von Unicef hat mit befreiten Kindersoldaten in der Zentralafrikanischen Republik gesprochen und mit Mädchen, die in der Demokratischen Republik Kongo eine Woche lang von marodierenden Rebellen gefangen gehalten wurden. „Viele Kinder machen Dinge durch, die sie niemals sehen oder erleben sollten“, sagt er bei der Vorstellung des Unicef-Jahresberichts. Mehr Kinder denn je, so lautet die Hauptbotschaft des Berichts, wachsen heute in Krisengebieten auf. Der Syrienkonflikt ist nur einer von vielen.
Extremisten nehmen keine Rücksicht auf Kinder
Da meist nicht reguläre Armeen, sondern extremistische Gruppen gegeneinander kämpfen, werden internationale Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten kaum noch beachtet. Laut Unicef wurden 2014 allein in Afghanistan 164 Schulen angegriffen, im Irak waren es 67. Die in Nigeria wütende Terrorgruppe Boko Haram hat hunderte Schülerinnen entführt und bisher rund 1200 Schulen zerstört oder beschädigt. Auch Gesundheitseinrichtungen sind nicht mehr tabu. „Wenn ein Krankenhaus zerstört wird, sind ebenfalls vor allem Kinder die Leidtragenden“, sagt Unicef-Experte Williams, der selbst aus dem ehemaligen Krisenstaat Sierra Leone stammt. Er ist dennoch überzeugt, dass die meisten Familien ihre Heimat nicht verlassen wollen. Und: Trotz schlimmer Erfahrungen könnten sich Kinder entwickeln, wenn sie sichere Zufluchtsorte hätten, wo sie spielen und lernen können.
„Erst wenn Eltern keine Perspektiven für ihre Kinder mehr sehen, entschließen sie sich zu fliehen“, sagt auch GIZ-Vorstandssprecherin Tanja Gönner. „Aus unseren Gesprächen mit den Menschen in den Krisenregionen wissen wir: Sie wollen nahe ihrer Heimat bleiben“, erläutert Gönner bei der GIZ-Jahrespressekonferenz. Die meisten Flüchtlinge wollten zudem nicht von Hilfe abhängig sein. In den Flüchtlingslagern rund um Syrien fördert die GIZ fördert daher auch Beschäftigungsprogramme. Im jordanischen Lager Zaatari recyceln Bewohner beispielsweise Müll, im Nord-Irak gießen sie Bodenplatten für Zelte. Schwerpunkt der deutschen Unterstützung ist aber der Bau von Schulen. Das Ziel ist hoch gesteckt: „Bis zum Ende des kommenden Schuljahres werden wir alle Flüchtlingskinder rund um Syrien in die Schule bringen“, so der Staatssekretär im Entwicklungsministerium und GIZ-Aufsichtsratsvorsitzende Friedrich Kitschelt.