Deutschland und die USA: Angela Merkels Lektion für Donald Trump
Die Kanzlerin nutzt die Eröffnung der BND-Zentrale in Berlin für Kritik an der Syrien-Politik des US-Präsidenten. Auch ohne Trump namentlich zu nennen.
Die Kulisse hätte kaum passender sein können. Tief unten im neuen Gebäudekomplex des Bundesnachrichtendienstes an der Berliner Chausseestraße, im Konferenzraum mit den digital angezeigten Uhrzeiten in New York, London, Berlin, Moskau und Peking, versammeln sich am Freitag die Gäste zum Festakt.
Die Feier zur Eröffnung der BND-Zentrale beginnt locker, ein Holzbläserquintett des Musikkorps der Bundeswehr flötet die Hymne der Hauptstadt „Das ist die Berliner Luft“. Doch dann kommt die Kanzlerin. Nach wenigen Minuten wird klar, dass nicht nur die Uhrzeiten in Berlin und den USA verschieden sind. Angela Merkel macht deutlich, dass auch politisch die Uhren ganz anders ticken. Derzeit vor allem beim Thema Syrien.
Die Lage im Bürgerkriegsland „kann uns alle nur mit Sorge erfüllen“, sagt die Kanzlerin. Von Trumps optimistischer Prognose, die Terrormiliz IS sei so gut wie besiegt, hält Merkel offenkundig nichts. „Der so genannte Islamische Staat konnte in der Fläche glücklicherweise zurückgedrängt werden“, Merkel hebt ein wenig die Stimme. „Das heißt leider jedoch nicht, dass der IS schon verschwunden wäre. Er ist vielmehr zu einer asymmetrischen Kriegführung übergegangen. Und das bleibt natürlich auch eine Bedrohung.“
Syrien sei zum Spielball in einem Stellvertreterkrieg um Einflusssphären in einer strategisch wichtigen Region geworden, sagt Merkel. „Von einem Frieden in Syrien sind wir leider, und das fast acht Jahre nach Ausbruch des Konflikts, nach wie vor weit entfernt.“ Und sie fügt hinzu, Deutschland werde „weiterhin unermüdlich seinen Beitrag zu einer politischen Lösung für Syrien leisten“.
Die Kanzlerin erteilt Trump eine Lektion in politischer Analyse, auch wenn sie ihn namentlich nicht erwähnt. Doch der zentrale Teil ihrer Rede klingt, als hätte sie sagen wollen, „Dear Mister President, von Syrien verstehen sie nichts“.
Trump hatte im Dezember behauptet, der „Islamische Staat“ sei besiegt, die 2000 US-Soldaten in Syrien würden abgezogen. Die Nato-Partner waren konsterniert - und nicht nur sie. US-Verteidigungsminister James Mattis, kündigte seinen Rücktritt an. Doch Trump blieb Trump. Erst schwächte er seine Prognose zum IS ein wenig ab und sagte noch im Dezember, die Terrormiliz sei „weitgehend besiegt“. Doch am Mittwoch verkündete der Präsident, der IS werde nächste Woche zu 100 Prozent besiegt sein. Was Merkel davon hält, gab sie nur zwei Tage später bekannt.
Eine Warnung vor Fake News
Vermutlich spielt sie in der Rede auch auf Trump an, als sie vor Fake News warnt. In Richtung Russland, China und Iran dürfte ihre Warnung vor der „Cyberbedrohung“ gehen. Viele Länder seien „aktiv in hybrider Kriegführung“, sagt Merkel. Sie spricht von einem Krieg, der weltweit über das Netz ausgetragen werde.
Die Kanzlerin hält eine dezidiert politische Rede, stärker noch als bei der Eröffnung der Zentrale eines Nachrichtendienstes zu erwarten war. „Wie stellt sich Deutschland auf die schier endlosen Krisenherde ein?“, fragt Merkel und nennt ihr Credo: Deutschland sei auf „multilaterale Zusammenarbeit“ angewiesen, kein Problem lasse sich allein bilateral lösen. Auch das ist wohl ein Seitenhieb auf Trump. Seine Von-Mann-zu-Mann-Taktik beim nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un hat wenig bewirkt.
Der Bundesnachrichtendienst kommt trotz der transatlantischen Botschaften in Merkels Rede nicht zu kurz. Angesichts der Krisen ist die Kanzlerin „umso überzeugter, dass Deutschland einen starken und leistungsfähigen Nachrichtendienst dringender denn je braucht“. Die Eröffnung der neuen Zentrale sei „ein Meilenstein“. Und vor dem Festakt sprach Merkel eigens zu den Mitarbeitern des BND. Nach dem Ende des gewaltigen Umzugs sind jetzt in der neuen Zentrale 3200 Nachrichtendienstler tätig.