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Menschen sind am 3. September bei einer Kundgebung mit Konzert unter dem Titel "Wir sind mehr" vor der Karl-Marx-Statue in Chemnitz versammelt.
© John MACDOUGALL/AFP

Sachsen: Angela Merkel zu Besuch in Chemnitz erwartet

Vor drei Monaten löste eine tödliche Messerattacke rechten Protest und fremdenfeindliche Übergriffe in Chemnitz aus. Nun kommt die Kanzlerin.

Begleitet von Diskussionen über den Zeitpunkt des Besuchs und angekündigten Protesten von Gegnern ihrer Asylpolitik kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag nach Chemnitz. Drei Monate nach einer tödlichen Messerattacke auf einen Deutschen – die Verdächtigen stammen aus Syrien und dem Irak – will sich die Kanzlerin ein Bild von der Lage in der Stadt machen.

Im Mittelpunkt des Besuchs steht eine Debatte mit Lesern der Tageszeitung „Freie Presse“, deren Einladung die scheidende CDU-Vorsitzende folgt. Zum Auftakt ihrer Visite besucht sie gegen 13 Uhr das Training von zwei Nachwuchsteams des Basketball-Zweitligisten Niners Chemnitz. Anschließend ist ein Treffen mit Bürgern vorgesehen. Daran nehmen auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) teil.

Kritik an Merkels spätem Besuchstermin

Unterdessen wird in der Stadt kontrovers über Merkels Besuchstermin diskutiert. Aus Sicht von Ludwig und Vertretern des gesellschaftlichen Lebens kommt die Visite zu spät. Sie habe gehofft, dass die Kanzlerin sich rasch ein eigenes Bild machen und mit den Bürgern der Stadt ins Gespräch kommen würde, sagte die SPD-Politikerin.

Ludwig hatte Merkel bereits Anfang September und damit unmittelbar nach dem Tötungsdelikt zu einem Bürgerdialog im Oktober eingeladen. Darauf hatte das Kanzleramt nicht reagiert. Ende August war ein 35-jähriger Chemnitzer vermutlich von Asylbewerbern erstochen worden. Rechte Kräfte hatten den Tod des Mannes für sich vereinnahmt. Wenig später gab es Demonstrationen von AfD, Pegida und Pro Chemnitz. Außerdem kam es in der Stadt zu fremdenfeindlichen Übergriffen und Anschlägen auf ausländische Restaurants.

Ebenso wie die Rathauschefin urteilte Frank Müller, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbandes Kreatives Chemnitz. „Aus meiner Sicht ist die beste Zeit für Betroffenheitsbesuche leider schon vorbei“, sagte der Mitinitiator der Initiative „#wedergraunochbraun“. Der Zusammenschluss von Firmen, Privatpersonen und der Kreativbranche setzt sich für ein weltoffenes Chemnitz ein.

Proteste am Rande der Veranstaltungen angekündigt

Hans-Joachim Wunderlich, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), meinte hingegen: „Für einen Besuch in Chemnitz ist es nie zu spät.“ Wohl auch mit Hilfe der Visite der Kanzlerin wünschte er sich, dass über Chemnitz wieder positiv berichtet wird. „Unsere Unternehmer wünschen sich mehr mediale Aufmerksamkeit für die positiven Dinge in unserer Region - von den wirtschaftlichen Erfolgen bis hin zu den vielen gelungenen Integrationsbeispielen.“

Kritiker von Merkel und vor allem ihrer Asyl- und Flüchtlingspolitik wollen am Rande der Veranstaltungen wieder auf die Straße gehen. Die rechtspopulistische Bewegung Pro Chemnitz hat wie jeden Freitag zu Protesten aufgerufen. Die Kundgebung findet diesmal in Sichtweite der Hartmannfabrik statt wie sonst am Karl-Marx-Monument statt.

Stadt und Polizei haben umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Zahlreiche Straßen sind gesperrt und auch für Fußgänger wird rund um das Veranstaltungsareal zum Teil kein Durchkommen sein. Die Polizei hat sich nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot für alle Eventualitäten gerüstet. Neben sächsischen Beamten sind Kräfte der Bereitschaftspolizei aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen sowie der Bundespolizei im Einsatz. Überdies sollen Kommunikationsteams mögliche Konflikte verhindern. (dpa)

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