Nach der Ankündigung des Rückzugs: Angela Merkel - im Ausland geachtet
Im Ausland bewundern viele die Bundeskanzlerin – und schauen mit Sorge auf ihren Abgang. Nur einer freut sich, dass sie geht.
Rund um den Globus genießt Angela Merkel einen Ruf wie Donnerhall. Sie verkörpert das Bild Deutschlands, ein Partner zu sein, der an der Lösung von Konflikten mitarbeitet und auf den man sich verlassen kann. Im Ausland teilen nur wenige das hierzulande vorhandene Gefühl, dass die Kanzlerin müde wirke und nach dreizehn Jahren im Amt ein Wechsel überfällig sei.
Den Niedergang ihrer Macht erleben die Verbündeten nicht mit Erleichterung – oder gar Faszination am Spekulieren, wer wohl nach ihr kommt – sondern als Verlust von Berechenbarkeit und Stabilität. Deutschland ist die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und das Powerhouse der EU. Was es tut oder unterlässt, hat unmittelbare Auswirkungen auf Nachbarn und Partner – ob die Deutschen das wollen oder nicht.
Bei aller Kritik an der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik überwiegt in Gesprächen in Brüssel, Paris, Warschau und Washington das Lob für Merkel: ihr besänftigendes Einwirken auf EU-Gipfeln, ihren ruhigen Umgang mit aufbrausenden Staats- und Regierungschefs, ihr Management in Europas vielfältigen Krisen vom Euro über die Abkehr Polens und Ungarns von europäischen Werten bis zur Suche nach Lösungen für den Krieg in der Ukraine.
Froh für jeden Monat
Ob man mit dem EU-Botschafter in den USA, dem Iren David O’Sullivan, oder seinem Kollegen Marek Prawda in Warschau spricht, ob mit Mitgliedern des EU-Parlaments in Brüssel, mit schwedischen oder spanischen Abgeordneten, mit amerikanischen Deutschland-Experten oder hohen Diplomaten Chinas. Sie sagen, sie seien froh für jeden Monat, den Merkel im Amt sei; sie schauen mit Sorge auf den Tag, an dem sie abtritt. Das liegt weniger an der Sorge, dass der oder die nächste Kanzler(in) nicht in diese Rolle hineinwachsen könne. Sondern an der Einschätzung, dass ein Wechsel an der Spitze erst einmal Unruhe stiftet und Gegner stabiler Verhältnisse in Versuchung führen könnte, die Nachfolger zu testen.
In Warschau sagt Adam Bielan, Vizemarschall des Senats und Mitglied der nationalpopulistischen Regierungspartei PiS, Merkels Kanzlerschaft sei gut für Polen. Er wirft ihr zwar Fehler im Umgang mit der Migration vor, lobt aber ihre Verlässlichkeit gegenüber Russland. Ähnlich in den USA. US-Diplomaten und Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats äußern generell Lob für Merkel, auch wenn sie über das deutsche Verteidigungsbudget klagen.
Nur Wladimir Putin dürfte sich wohl freuen, wenn Merkel geht, sagen Außenpolitik-Experten. Sie ist die Frau, die Europa bei den Sanktionen gegen Russland zusammenhielt. Sie ist das lebende Gedächtnis dessen, was bei den Friedensgesprächen in Minsk und bei anderen Krisentreffen vereinbart wurde. Sie kann ihre Verhandlungspartner der vergangenen 13 Jahre mahnen: „Wir haben uns doch damals versprochen …“ Wenn sie geht, ist es damit vorbei.