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 Jeder Dritte findet, dass Demenzkranke zuhause am besten aufgehoben sind. Doch Angehörige sind mit der Pflege oft überfordert.
© David Hecker / picture alliance / dpa

DAK-Pflegereport: Angehörige mit Demenzkranken oft überfordert

Eine Mehrheit der Angehörigen, die Demenzkranke versorgen, fühlen sich damit überfordert. Sie wünschen sich mehr Unterstützung - und ein größeres Angebot an betreuten Wohngruppen.

Von den Menschen, die sich intensiv um demente Angehörige kümmern, fühlt sich ein Großteil am Ende seiner Kräfte. Bei einer Befragung für den neuen Pflegereport der Krankenkasse DAK, der am Donnerstag in Berlin präsentiert wurde, klagten 59 Prozent darüber. Auch im weiteren Umfeld von Demenzkranken gab jeder Dritte an, oft erschöpft zu sein. Und neun von zehn pflegenden Angehörigen fordern mehr Unterstützung.

Wunsch nach finanzieller Hilfe an erster Stelle

Dabei geht es den Betroffenen vor allem ums Geld. 86 Prozent klagen über zu wenig finanzielle Hilfe. Zwei von drei Befragten hätten gerne mehr professionelle Unterstützung. 42 Prozent fehlt es an Information. Jeder Dritte vermisst freiwillige Helfer oder zumindest einen kostengünstigeren Beistand.

Derzeit leben in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen mit Demenz. Schätzungen zufolge könnten es 2050 bereits doppelt so viele sein.

Nur zwei Prozent leben in betreuten Wohngruppen

Bei der Frage, wo und wie Demenzkranke am besten betreut werden sollten, zeigten sich die Befragten gespalten. 35 Prozent sehen das eigene Zuhause als besten Ort für die hilflos Gewordenen. 16 Prozent nennen „gute Pflegeheime“, 13 Prozent den Haushalt von Angehörigen. Und 22 Prozent präferieren ambulant betreute Wohngruppen.

„Leider deckt sich die Realität jedoch nicht mit den Wünschen der Bevölkerung“, resümierte der Freiburger Pflegeexperte Thomas Klie, der die Studie wissenschaftlich betreute. Tatsächlich leben in Wohngruppen, die sich mehr als jeder Fünfte für seinen Angehörigen wünschen würde, mangels Angebot gerade mal zwei Prozent aller Demenzkranken. 69 Prozent dagegen wurden der Erhebung zufolge in der eigenen Wohnung versorgt – in vielen Fällen folglich notgedrungen.

Kassenchef fordert Kompetenzzentren für Pflege

Vor diesem Hintergrund propagierte DAK-Vorstandschef Andreas Storm eine Umwandlung von nicht mehr benötigten Krankenhäusern in „Pflegekompetenzzentren“. Dort könnten, so warb er, spezialisierte Wohngruppen mit Beratungsangeboten für Angehörige und Kurzzeitpflege „unter einem Dach gebündelt werden“. Damit ließen sich bestehende Grenzen zwischen ambulanter Pflege, Geriatrie und Pflegeheimen überwinden.

Interessant sei solche Hilfe aus einer Hand vor allem für ländliche Regionen, sagte Storm. Nach seinen Vorstellungen sollte der Bund für die Klinikumwandlungen 250 Millionen Euro pro Jahr bereitstellen

Mängel auch bei gesundheitlicher Versorgung

Erhebliche Mängel gibt es dem Report zufolge bei der medizinischen Versorgung von Demenzkranken. Fast alle werden demnach mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt – und drei von vier Betroffenen landen pro Jahr im Krankenhaus. Dort würden sie häufiger als andere wegen Flüssigkeitsmangel (plus fünf Prozent), Oberschenkelbruch oder Delirium (jeweils plus vier Prozent) behandelt, berichtete Klie. Und fast zwei Drittel der Erstdiagnosen von Demenz würden nicht anhand adäquater Leitlinien gestellt. „Das sind besorgniserregende Zahlen“, sagte der Experte.

Überrascht dagegen habe ihn die positive Haltung vieler Menschen zur Demenz, sagte DAK-Chef Storm. „Fast jeder zweite der Befragten mit dementen Angehörigen hält ein gutes Leben mit Demenz durchaus für möglich.“ Insgesamt stimmten dieser Aussage 39 Prozent zu. Mehr als 80 Prozent wünschen sich aber mehr Anerkennung für Angehörige und mehr Respekt gegenüber Erkrankten. „Wir müssen die Krankheit als soziale Tatsache akzeptieren und lernen, Betroffene mitsamt ihrer Persönlichkeit zu respektieren“, mahnte Storm. „Menschen mit Demenz haben das gleiche Recht auf Würde, Selbstbestimmung und ein sinnerfülltes Leben wie wir alle.“

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