Arbeitsministerin: Andrea Nahles erklärt ihr Konzept "Q"
Die Arbeitsministerin Andrea Nahles will das Arbeitslosengeld reformieren – bei der IG Metall bekommt sie dafür Applaus.
Arbeitsministerin Andrea Nahles hat den SPD-Vorschlag für ein neues „Arbeitslosengeld Q“ verteidigt. „Es geht nicht darum, neue Brücken in die Rente zu bauen“, sagte die SPD-Politikerin am Montag. Wenn man den Menschen sage, dass sie künftig bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten sollten, könne man nicht dann kneifen, wenn sie arbeitslos würden und Qualifizierung bräuchten.
Das Nahles-Konzept sieht vor, dass Menschen dann länger Arbeitslosengeld bekommen, wenn sie an einer Weiterbildung teilnehmen. Bisher wurde in diesem Fall die Anspruchsdauer um die Hälfte gemindert. Außerdem soll es für Arbeitslose, die innerhalb von drei Monaten keinen Job finden, einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung geben. „Gerade bei den Älteren sind die Ängste besonders groß, dass sie keine zweite Chance bekommen“, sagte Nahles.
Der Leiter des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller, hält die Idee grundsätzlich für sinnvoll. „Unsere Studien zeigen, dass eine reine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds tendenziell zu einer längeren Arbeitslosigkeit führt. Dieser Vorschlag geht aber in eine andere Richtung“, sagte der Arbeitsmarktexperte dem Tagesspiegel. Es sei sinnvoll, auch angesichts der Umwälzungen in der Arbeitswelt stärker in die passgenaue Qualifizierung von Arbeitslosen zu investieren. „Wer eine Umschulung oder eine längere Weiterbildung absolviert, hat nachweisbar bessere Chancen, im Anschluss einen Job zu finden. Die Beschäftigungswahrscheinlichkeit steigt um bis zu 20 Prozent“, sagt er.
Der SPD-Beschluss sieht außerdem vor, dass der Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtert werden soll. Anspruch soll künftig haben, wer innerhalb von drei Jahren mindestens zehn Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat. Derzeit liegt diese Frist bei zwei Jahren, außerdem sind mindestens zwölf Beschäftigungsmonate erforderlich. Rund 100 000 Menschen könnten von dieser Neuregelung profitieren, schätzt Nahles. Die Kosten bezifferte sie auf 600 Millionen Euro. Für die Weiterbildung veranschlagt sie rund 400 Millionen Euro.
IG-Metall-Chef Hofmann warnt vor einer Weiterbildungsindustrie
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann äußerte sich positiv zu den Plänen. Das Arbeitslosengeld Q könne helfen, „um die Transformation in den Arbeitsmarkt von morgen zu schaffen“, sagte Hofmann dem Tagesspiegel. Heute seien auch in der Facharbeiterschaft die Ängste weit verbreitet, dass man im Falle der Arbeitslosigkeit sozial abstürze und einen neuen Job annehmen müsse, der deutlich schlechter bezahlt werde. „Wenn der Vorschlag umgesetzt wird, haben Arbeitslose künftig einen Anspruch auf Weiterbildung, das begrüßen wir ausdrücklich“, sagte Hofmann. Wichtig sei dabei, dass nach der Weiterbildung die gewonnene Qualifizierung berücksichtigt werde bei der Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten. „Gerade die Zumutbarkeitsregeln der Agenda 2010 haben Angst und Unsicherheit verbreitet“, sagte er.
Hofmann warnt allerdings davor, dass mit Nahles’ Plänen eine Weiterbildungsindustrie entstehen könne. Er schlug deshalb eine staatliche Qualifizierungsstruktur vor. „Berufsschulen und Hochschulen müssen für die Beschäftigten sinnvolle Angebote entwickeln.“ Damit nicht ins Blaue hinein qualifiziert werde, sei sowohl ein Monitoring als auch eine enge Verknüpfung mit den Unternehmen erforderlich. „Die Debatte, welche Tätigkeiten wegfallen und welche neuen Aufgaben und Geschäftsmodelle entstehen, muss in den Betrieben geführt werden.“ Dazu sei der Ausbau der Mitbestimmung erforderlich, damit Betriebsräte Weiterbildung einfordern könnten. „Weiterbildung muss vor der Arbeitslosigkeit stattfinden, damit die Menschen erst gar nicht bei der Arbeitsagentur landen.“