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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
© imago/Metodi Popow

Streit um Finanzausgleich: Anderer Weg, gleiches Ergebnis

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble blockiert den Ländervorschlag zum Finanzausgleich. Doch sein jetzt bekannt gewordenes Gegenmodell wirkt sich finanziell ganz ähnlich aus.

Die Länder einigten sich gern „16 zu null“ zu Lasten des Bundes, klagt Wolfgang Schäuble immer wieder, und bei der Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs sieht der Bundesfinanzminister das erst recht so. Weshalb Schäuble mit den Ministerpräsidenten seit Monaten im Clinch liegt. Deren überraschende Einigung auf ein Reformmodell im Dezember sieht in der Tat vor, dass der Bund sich am künftigen Ausgleich stärker beteiligt. Allerdings ist das in Schäubles Gegenmodell, das erst in der Vorwoche bekannt geworden ist, genauso. Und was bisher für die Öffentlichkeit so klar nicht war: Bei der finanziellen Verteilungswirkung zwischen Bund und Ländern unterscheidet sich sein Modell praktisch gar nicht von dem der Ministerpräsidenten. Die Belastung des Bundes ist ähnlich hoch. Berechnungen der Ökonomen Thomas Lenk und Philipp Glinka von der Universität Leipzig zeigen diese Verteilungswirkung jetzt im Vergleich. Sie haben beide Vorschläge durchkalkuliert, hochgerechnet auf das Jahr 2020, wenn der neue Ausgleichsmechanismus eingeführt werden soll. Und siehe da: In beiden Modellen zeigt sich eine ähnlich hohe Verschiebung der Belastung von den einnahmestarken Ländern zum Bund. Nach dem derzeit bestehenden Finanzausgleich würden zwischen den Ländern (in zwei Stufen: Umsatzsteuerverteilung und Länderfinanzausgleich) 21,1 Milliarden Euro bewegt. Im Reformmodell der Länder wären es dagegen nur noch 16,5 Milliarden Euro, nach Schäubles Vorschlag 16,7 Milliarden. Dagegen müsste der Bund (über so genannte Bundesergänzungszuweisungen) beim Fortbestehen des alten Systems 4,6 Milliarden Euro zuschießen, vor allem an die schwächeren Länder, im Reformmodell der Länder dagegen 7,4 Milliarden und im Schäuble-Modell 7,1 Milliarden. Die finanziellen Unterschiede zwischen beiden Vorschlägen sind also gering.

Umsatzsteuer statt Länderetats

Allerdings wollen die Länder den Ausgleich unter sich künftig nur noch über die Umsatzsteuerverteilung regeln, während Schäuble auf eine Verteilung über einen Länderfinanzausgleich setzt. Beide Seiten eint, dass sie die zwei Stufen im alten System zu einer zusammenführen wollen. Der Unterschied: Das Länder-Modell gleicht aus, bevor das Geld die Landesetats erreicht; im Schäuble-Modell würde dagegen der Ausgleich, wie zum Teil heute schon, über die Länderetats abgewickelt. Genau das aber wollen die Länder nicht mehr. Kritiker monieren zwar, dass das Ländermodell weniger transparent sei. Allerdings lässt sich die Verteilungswirkung bei einem Umsatzsteuerausgleich genauso darstellen wie bei einem Ausgleich über die Haushalte, ein Versteckspiel ist der Länder-Vorschlag nicht. Wenn nun aber die finanzielle Wirkung im Großen und Ganzen in beiden Vorschlägen ganz ähnlich ist, dann stellt sich die Frage: Warum legt sich Schäuble quer, warum blockiert er den Länder-Plan? Wie die Länder das ihnen zustehende Geld untereinander verteilen, wird der Bund nicht gut vorschreiben können, wenn sich die Ministerpräsidenten einvernehmlich auf ein Modell geeinigt haben. Und die Höherbelastung des Bundes ist im Schäuble-Modell nicht gravierend geringer als im Plan der Ministerpräsidenten. Unterschiede gibt es natürlich in Details – im Schäuble-Modell kommen Nordrhein-Westfalen und Baden- Württemberg etwas besser weg als im Länder-Modell, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein dagegen etwas schlechter. Diese drei Länder kommen in nahezu allen Ausgleichsmodellen immer etwas schlechter weg, weshalb das Ländermodell einige zusätzliche Stellschrauben eingebaut hat – auch hier zu Lasten des Bundes. Aber es geht dabei nur um einige Millionen Euro.

Was macht der Bundestag?

In den Koalitionsfraktionen im Bundestag hat man sich auf die Seite der Kritiker des Länder-Modells gestellt. Zu denen gehört auch Lenk. Der Leipziger Wirtschaftsprofessor spricht von einer „fortschreitenden Entsolidarisierung“ zwischen den Ländern, wenn der Bund eine zusätzliche Last schultert – er befürchtet Nachteile für die schwächeren Länder, also vor allem den Osten. Kritisch sieht Lenk in dieser Hinsicht allerdings auch das Schäuble-Modell wegen seiner ähnlichen Wirkung. Was zur Frage führt, wie die Parlamentarier mit Schäubles Modell umgehen: Denn wenn die führenden Finanzpolitiker der Koalitionsfraktionen, Ralph Brinkhaus (CDU) und Carsten Schneider (SPD), im Ländermodell den Übergang vom „brüderlichen zu einem väterlichen Finanzausgleich“ sehen, also weg von der Ländersolidarität und hin zu einer größeren Dominanz des Bundes, dann müssten sie damit auch das Modell Schäubles meinen.

Doch was will der Bundesfinanzminister? Bisher war der Finanzausgleich für ihn Teil eines größeren Verhandlungspakets, zu dem nicht zuletzt die Aufteilung der Flüchtlingskosten zwischen Bund und Ländern gehört. Dabei geht es um Summen, die aktuell anfallen. Die Länder fordern auch hier mehr Leistungen des Bundes. Ursprünglich sollte darüber im September nach einer Berechnung der jeweiligen Ausgaben gesprochen werden. Schäubles Kalkül war offenbar, die Gespräche zum Finanzausgleich bis dahin zu verzögern. Er wollte möglicherweise durch ein Entgegenkommen beim Finanzausgleich im Gegenzug die Lasten des Bundes für Flüchtlinge etwas geringer halten. Die Rechnung geht aber nicht mehr auf, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vorigen Woche mit den Ministerpräsidenten übereinkam, schon Ende Mai in der Flüchtlingskostenfrage zu einem Beschluss zu kommen.

Verbindung mit dem Straßenbau

Bleibt noch die Forderung des Bundes nach einer Bundesautobahngesellschaft. Die hat Schäuble ultimativ mit einem Entgegenkommen beim Finanzausgleich verknüpft. Der Bund möchte gern die Autobahnen selbst bauen und unterhalten, bislang tun das die Länder im Auftrag des Bundes mit dessen Geld. In einer Bundesautobahngesellschaft könnte aber auch die Finanzierung der Bundesfernstraßen gebündelt werden, eine Art Nebenhaushalt, in den zu den regulären Haushaltsmitteln auch private Gelder und nicht zuletzt die Mauteinnahmen kommen könnten. Das Projekt wird auch von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt unterstützt. Die Länder hätten nichts gegen eine Finanzierungsgesellschaft auf Bundesebene, aber die Straßenbauplanung und -verwaltung wollen sie nicht abgeben, weil sie darin eher Nachteile sehen. Ein Kompromissmodell der Länderverkehrsminister liegt auf dem Tisch.

In den Ländern setzt man noch immer auf eine Einigung beim Finanzausgleich. Mit dem Modell der Ministerpräsidenten bestehe „eine gute Chance, die Schuldenregel ab 2020 einzuhalten ohne unverträgliche Kahlschläge“, sagt der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD). Bei einer finanzpolitischen Veranstaltung vor einigen Tagen in Berlin sagte er mit Blick darauf, dass die Neuregelung auf Basis des Ländervorschlags eine Grundgesetzänderung notwendig macht: „Wer halbwegs bei Trost ist, der beendet die Gespräche beim Finanzausgleich jetzt zügig vor der Wahl 2017, denn welche Mehrheiten der Bundestag dann hat, ist unklar.“

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