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Die Untergangsszenarien des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump tragen nicht zur Steigerung seiner Beliebtheit bei.
© REUTERS/Eric Thayer

Hillary Clinton gegen Donald Trump: Amerika lässt sich nicht schlechtreden

Nicht Donald Trump, sondern Hillary Clinton ist die Siegerin der Parteitage. Denn die Wähler können zwischen Geschöntem und glatten Lügen unterscheiden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wer sagt, dass Parteitage langweilige Propagandaveranstaltungen sein müssen? In den USA haben die Conventions der Republikaner und Demokraten wie Beben gewirkt. Und eine Klärung herbeigeführt. Vor drei Wochen führte Hillary Clinton im Schnitt der Umfragen 44 zu 41 Prozent. Dann zogen Donald Trump und die Republikaner vier Tage lang ihre Show in Cleveland im Bundesstaat Ohio ab. Ihr Parteitag war von Pannen und Mini-Revolten gegen den zweifelhaften Spitzenkandidaten durchzogen. Dennoch erzielte Trump einen kräftigen „Convention Bounce“. Er lag plötzlich mit einem Prozentpunkt in Führung.

Es folgte die viertägige Show der Demokraten in Philadelphia. Sie machten Trumps Gewinn nicht nur wett; eine gute Woche später hat Clinton ihren Vorsprung aus der Zeit vor den Parteitagen verdoppelt: Sie führt nun 47,3 zu 40,5 Prozent.

Ist dies bereits die Entscheidung, drei Monate vor der Wahl am 8. November? Da ist Vorsicht angebracht. Dieses Wahljahr hat schon manche Erwartungen und Erfahrungen widerlegt. Die Stimmung war selten so volatil wie 2016. Was aber haben die Parteitage bewirkt und warum?

Als glaubwürdig empfinden die Wähler weder Trump noch Clinton

Natürlich waren die Conventions keine Übungen in Transparenz und Redlichkeit. Beide Lager verunglimpften den Gegner und idealisierten den eigenen Kandidaten. Dennoch waren sie ein Realitätstest. Sie stellten Öffentlichkeit her. Trumps Rede verfolgten 32 Millionen Bürger live im Fernsehen, zehn Prozent der Bevölkerung; Clintons 30 Millionen. Solche Einschaltquoten würde man sich mal für deutsche Parteitage wünschen.

In drei entscheidenden Disziplinen schnitten die Demokraten besser ab als die Republikaner: Mobilisierung, Glaubwürdigkeit und Tonlage. Abgesehen von den Reden der Spitzenkandidaten schauten bei den Demokraten Abend für Abend zwei Millionen mehr zu als bei den Republikanern. Hollywood-Stars und zwei populäre Präsidenten, Bill Clinton und Barack Obama, warben für Hillary. Auch die Republikaner haben zwei lebende Präsidenten. George H. W. und George W. Bush wollten aber nicht für Trump auftreten. Auch die vorigen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Mitt Romney gaben ihm einen Korb. Die Entertainments-Stars der Republikaner waren B-Klasse im Vergleich mit denen der Demokraten.

Als glaubwürdig empfinden die Bürger weder Trump noch Clinton. 55 bis 60 Prozent sagen, sie misstrauten ihnen. Beide führten ihre Familie vor, um ihre Werte zu verbessern. Trumps aktuelle Ehefrau Melania und seine Kinder aus früheren Ehen hatten nur abstraktes Lob parat. Trump sei ein toller Ehemann, Vater, Familienmensch. Überzeugende Belege dafür blieben aus. Er hat die Kinder (und deren Mütter) ja auch verlassen, als sie noch klein waren. Bei Clinton klangen die „Charakterzeugen“, Ehemann Bill und Tochter Chelsea, authentischer. Nun ist Trump um 16 Prozentpunkte unbeliebter als Clinton.

Irritierend, insbesondere für Konservative, ist der Ton der Botschaften. Republikaner sind es gewohnt, dass ihre Kandidaten Optimismus ausstrahlen. Unvergessen ist Ronald Reagan: „It’s morning in America“. Die Demokraten klingen meist mäkliger. Auch sie behaupten zwar, die USA seien „the greatest country on earth“, fordern aber Verbesserungen. 2016 verbreitet Trump Untergangsszenarien. Für Clinton steht Amerika vor Problemen, darf aber stolz sein auf das Erreichte. Obama hat das Land aus der von Bush geerbten Rezession geführt; die Arbeitslosenrate ist von zehn auf fünf Prozent gesunken.

Lieber verhaltener Optimismus als Schlechtreden

Die Parteitage haben Clintons Aussichten verbessert. Das gilt auch für die entscheidende Währung der Macht. Präsident wird, wer eine Kombination von Bundesstaaten gewinnt, die ihm oder ihr 270 von 538 Wahlmännerstimmen bringen. Trump müsste mehrere Staaten mit hohem Anteil frustrierter weißer Arbeiter, die bisher demokratisch stimmten, gewinnen: Michigan, Ohio, Pennsylvania, Wisconsin. Darauf hat er es offenbar angelegt mit seiner Botschaft, dass die USA ihre Vorherrschaft eingebüßt haben, bis jemand komme, der sie zu alter Größe führe: Make America Great Again. Doch in den entscheidenden Staaten ist Clintons Vorsprung zuletzt gewachsen. In Michigan liegt sie jetzt sechs Prozentpunkte vorn, in Pennsylvania acht, in Wisconsin 5,6.

Es ist noch nichts entschieden. Aber Amerika hat seine Meinung kundgetan. Es zieht einen verhaltenen Optimismus dem Schlechtreden vor. Es kann zwischen glatten Lügen (Trump) und geschönter Selbstdarstellung (Clinton) unterscheiden. Es nimmt übel, wenn jemand Gefallene muslimischen Glaubens verunglimpft. Und nimmt wahr, wenn Ex-Präsidenten und Hollywood-Stars ihr Urteil über die Kandidaten fällen. Den Parteitagen sei Dank.

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