Deutschlands Bild vom US-Präsidenten: Amerika ist größer als Donald Trump
Die Deutschen flüchten sich seit der Präsidentschaftswahl in den USA immer wieder in Wunschdenken. Die Politik muss das klar aussprechen. Ein Kommentar.
Ist das die List der Geschichte? Sie gibt uns Deutschen einen US-Präsidenten, der Abscheu auslöst. Und konfrontiert uns so mit der Einsicht, wie viel Trump in der Weltpolitik bewegt und wie wenig wir.
Während die amerikanische Justiz der Welt erneut vorführt, mit was für verkommenen Charakteren sich Donald Trump auf dem Weg ins Weiße Haus umgeben hat, fordert Außenminister Heiko Maas eine „balancierte Partnerschaft“ mit den USA, „in der wir ein Gegengewicht bilden, wo rote Linien überschritten werden“. Man könnte fragen: War das Verhältnis bisher nicht ausbalanciert? Deutschland bezieht doch häufig Gegenpositionen, vom Irakkrieg bis zur Klimapolitik.
Nicht der Moment, sich von den USA loszusagen
Maas formuliert so verklausuliert, weil das wahre Problem nicht die praktizierte USA-Politik ist, sondern der Widerspruch zwischen dem pragmatischen Kurs der Regierung und der emotionalen Art, in der die Öffentlichkeit über Trumps Amerika redet. Maas traut sich aber ebenso wenig wie Kanzlerin Merkel, dem verführerischen Trugschluss entgegenzutreten, dies sei der Moment, sich von den USA loszusagen.
Die USA-Verächter haben in Trump den Präsidenten bekommen, vor dem sie gerne gewarnt haben. Er lügt und manipuliert. Sein Wahlkampfmanager Paul Manafort muss mehrere Jahre in den Knast. Er hat Millionen Dollar Steuern hinterzogen, unterhält geheime Konten im Ausland, hat viel Geld mit Russland-Propaganda verdient. Trumps Anwalt Michael Cohen gibt zu, er habe Millionenbeträge vor der Steuer geheim gehalten, Kreditbetrug begangenen – und auf Anweisung Trumps einer Pornodarstellerin und einem Playboy-Girl, die angeblich Affären mit Trump hatten, während Ehefrau Melania schwanger war, Schweigegeld gezahlt, um den Wahlsieg zu retten. Damit hätten er und der Präsident die Gesetze zur Wahlkampffinanzierung gebrochen.
Prompt keimt in Deutschland die Hoffnung, jetzt werde es brenzlig für Trump, vielleicht drohe die Amtsenthebung. Das ist typisch für die kleinen Fluchten in Wunschdenken, mit denen Deutsche seit anderthalb Jahren auf Trumps Wahl reagieren. Trump bleibt. Ein Präsident kann nach der Verfassungstradition während seiner Amtszeit nicht strafrechtlich angeklagt werden. Die einzige Option ist Impeachment, ein politisches Verfahren, das das Repräsentantenhaus durch Mehrheitsbeschluss einleitet und mit Amtsenthebung endet, wenn zwei Drittel des Senats dafür stimmen. Das ist unrealistisch.
Europa handlungsfähiger machen
Ja, Trump ist eine Zumutung. Aber Amerika ist viel größer als er. Die USA bleiben auch unter diesem Präsidenten ein unersetzlicher Partner für Europa. Frankreichs Präsident Macron spricht das ungeniert aus. Warum sagen Merkel und Maas es nicht ebenso klar? Die berechtigte Empörung über Trump kann als wertvolle Energie dienen, sofern sie in eine konstruktive Richtung gelenkt wird: Europa handlungsfähiger machen. Das wird mühsam genug.
Maas fordert viel Richtiges, höhere Verteidigungsausgaben und unabhängige europäische Zahlungssysteme. Aber er verbindet es mit falschen Verheißungen. Im Konflikt um die US-Sanktionen gegen den Iran wird Europa Konzerne wie Siemens, Mercedes und BMW nicht dazu bringen, dem Iran-Geschäft den Vorzug vor dem viel größeren US-Markt zu geben. Ja, Europa braucht mehr Gewicht, aber nicht gegen die USA, sondern im Bündnis mit ihnen.
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