Nach Anschlägen in Paris: Amadeu-Antonio-Stiftung sieht Pegida im Aufwind
Wächst die Gefahr für Flüchtlinge in Deutschland? Die Amadeu-Antonio-Stiftung fürchtet das - und erwartet weiteren Zulauf für Pegida.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung fürchtet, dass nach den Anschlägen in Paris die fremdenfeindliche Stimmung in Deutschland wächst. Der Geschäftsführer der Stiftung, Timo Reinfrank, sagte dem Tagesspiegel: "Die Bedrohungssituation von Flüchtlingen in Deutschland ist schon so real und konkret, dass es Paris fast nicht mehr gebraucht hätte." In den vergangenen Jahren hätten rechtsextreme Anschläge und Angriffe gegen Flüchtlinge mit dem Winter abgenommen. "Ich hoffe sehr, dass jetzt nicht zusätzlich Öl ins Feuer gegossen wird." Er fürchte jedoch, dass die Anschläge in Paris ein weiterer Baustein sein könnten, durch den sich Leute legitimiert fühlten, gegen Flüchtlinge vorzugehen.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung fördert seit Jahren Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Mit Blick auf die Diskussion in Deutschland nannte Reinfrank die Reaktion der Bundesregierung auf die Anschläge in Paris "ein bisschen mager". Neben aller Betroffenheit für Paris hätte Kanzlerin Angela Merkel "deutlich sagen sollen, dass der Terror in Paris auf keinen Fall für Hetze gegen Flüchtlinge instrumentalisiert werden darf".
Eine Stärkung erwartet Reinfrank auch für die "dauerhaft etablierte rechtspopulistische Pegida-Bewegung". Sie werde nun wohl weiter Zulauf bekommen und sich "eher stabilisieren". Pegida gelinge es zunehmend, sich als die Ausgestoßenen zu inszenieren, das Weltbild der Organisation werde "immer geschlossener". Reinfrank riet, es helfe in dieser Situation nichts, Pegida insgesamt als rechtsextremistisch abzukanzeln, nach einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu rufen oder ein Verbot von Demonstrationen zu fordern. "Keine Frage: Das sind Rechtspopulisten, Rassisten - und wir müssen uns dringend Gedanken machen, wie man sich argumentativ mit ihnen auseinander setzen. Das heißt nicht, dass die Sorgen der Bürger, die da demonstrieren, berechtigt sind." Es sei wichtig, jene zu bestärken, die sich den Pegida-Demonstrationen nicht anschlössen.
Bei ihrer Dresdner Demo am Montagabend verzeichnete die Pegida-Bewegung offenbar keinen größeren Zulauf gegenüber der Vorwoche. Nach Schätzungen der Studenteninitiative "Durchgezählt" kamen zu der Kundgebung 7000 bis 8500 Menschen, ebenso viele wie in der Woche zuvor. Zum Beginn der Kundgebung vor der Semperoper legten die Demonstranten eine Schweigeminute für die Opfer der Anschläge in Paris ein. Einige Demonstranten trugen französische Fahnen mit Trauerflor. Es waren Plakate zu sehen mit Aufschriften wie "Je suis Paris", aber auch "Gestern in Paris - morgen in Deutschland". Pegida-Mitorganisator Siegfried Däbritz sagte, die Anschläge seien "das Ergebnis einer Einwanderungspolitik, die Menschen mit völlig unterschiedlicher Kultur" und Werten "eingeladen" habe. Irgendwann werde es auch in Deutschland zu einem Anschlag kommen. Er forderte die Politik auf, die Grenzen zu schließen, die eingereisten Flüchtlinge erkennungsdienstlich zu erfassen und alle Unterkünfte "auf den Kopf" zu stellen.
Sachsens CDU: Härte gegen Flüchtlinge, Schweigen zum Hass
Zusammenhänge zwischen Paris und den Flüchtlingen wurden auch auf dem Parteitag der sächsischen CDU an diesem Wochenende hergestellt, der unter dem Motto "Miteinander" stand. Der Dresdner Rechtsanwalt Maximilian Krah, Mitglied im CDU-Kreisvorstand der Stadt, sagte, bezogen auf die Flüchtlinge, es gebe eine "dramatische Entwicklung, die in den Terroranschlägen gegipfelt hat". Dresdens CDU distanzierte sich per Twitter später; dies sei dort "keine Mehrheitsmeinung".
Die Landespartei verabschiedete auf ihrem Parteitag in Neukieritzsch bei Leipzig am Samstag, dem Tag nach den Anschlägen von Paris, einen Leitantrag zur Flüchtlingspolitik. Der Text versammelt unter dem Titel “Solidarität leben, Integration ermöglichen, Zuwanderung steuern” fast ausschließlich Forderungen, die Migration begrenzen sollen. In den zwölf Punkten des Kapitels “Solidarität leben” fordert der Parteitag eine längere Liste sogenannter sicherer Herkunftsstaaten, mehr Sanktionen gegen Asylbewerber, den Ersatz von Geld- durch Sachleistungen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts – dies ist allerdings seit Oktober bereits Gesetz -, Abschiebehaft und das Festhalten von Asylbewerbern in Großunterkünften, bis über ihre Anträge entschieden ist. Dies dauert aktuell im Einzelfall mehrere Jahre. Änderungsanträge aus dem Kreis der Parteitagsdelegierten zielten auf weitere Verschärfungen. Von Maßnahmen gegen die hohe Zahl rassistischer Hassverbrechen im Land war auf dem Parteitag keine Rede. 2014 wurden bundesweit knapp 4000 "fremdenfeindliche Straftaten" registriert, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Sachsen liegt, auf die Bevölkerungszahl bezogen, mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an der Spitze. In der Zeit zwischen Oktober 2014 und Juni 2015 hatte das Land den Spitzenplatz bei rechts motivierten Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte.
Pegida-Frontfrau Festerling: Hooligans sichern Demonstrationen
Die wöchentlichen Pegida-Aufmärsche in Dresden werden nach Angaben von Pegida-Wortführerin Tatjana Festerling von Hooligans abgesichert. Das berichtet „bild.de“ und verweist auf ein Youtube-Video vom 29. Oktober, das Festerling bei einem Vortrag vor der schlagenden Burschenschaft Halle in Mainz zeigen soll.
In dem Video erklärt die Pegida-Frontfrau: „Wir haben von Anfang an, dass muss man so sagen, bei Pegida Hooligans und Leute aus dem Sicherheitsgewerbe gehabt, die für Sicherheit gesorgt haben“. Denn in Dresden gebe es weniger Berührungsängste als im Westen „zu den bösen Hooligans“, so die 51-Jährige. Die eingesetzten Sicherheitsleute seien „teilweise von Dynamo“. Die Hooligans von Dynamo Dresden machen immer wieder durch schwere Krawalle und gewalttätige Ausschreitungen auch in den Fußballstadien von sich Reden.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) reagierte laut „bild.de“ entsetzt auf die Aussagen Festerlings. Es könne nicht sein, „dass ausgerechnet gewaltbereite junge Männer bei einer Demonstration für Ordnung und Sicherheit sorgen sollen“, erklärte er. Der sächsische Grünen-Vorsitzende Jürgen Kasek sieht Versammlungsbehörde und Stadt in der Pflicht. „Sie kann Pegida die Auflage erteilen, dass Ordner nicht vorbestraft sein dürfen“, sagte Kasek. (mit epd)