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Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern nach Serbien und Mazedonien
© dpa/Patrick Seeger

Flüchtlingspolitik: Altmaier will 2016 Zahl der Abschiebungen verdoppeln

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) verlangt von den Bundesländern, 2016 die Zahl der Abschiebungen zu verdoppeln. Diese kontern, die Asylentscheidungen müssten beschleunigt werden.

Der Bund fordert von den Ländern, die Zahl der Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern zu verdoppeln. 2015 gab es nach Angaben von Kanzleramtschef Peter Altmaier 37 220 freiwillige Rückkehrer und 22 200 Abgeschobene. Für 2016 sei es realistisch, die Zahlen zu verdoppeln, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Da sind die Länder gefordert.“ Derzeit entscheide das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) über 50 000 Fälle im Monat, wobei mehr als ein Drittel der Anträge abgelehnt werde. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Zahl der Rückführungen deutlich zunimmt“, sagte Altmaier, der auch Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung ist.

Zahl der Abschiebungen hat sich zum Jahresbeginn bereits verdoppelt

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Freitag aktuelle Daten zu Asylsuchenden in Deutschland vorgestellt. Danach hat sich die Zahl der Abschiebungen unter den abgelehnten Asylbewerbern zu Jahresbeginn bereits verdoppelt. Im Januar und Februar wurden laut Innenministerium fast 4500 Menschen abgeschoben, 5000 Menschen seien freiwillig ausgereist – auch dies ein Plus im Vergleich zum Vorjahr.

Etliche Länderverteter reagierten am Wochenende mit Unverständnis auf Altmaiers Ermahnungen. „Schuldzuweisungen sind völlig unangemessen und unnötig“, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, die Forderungen gingen ihm „auf die Nerven“. Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums betonte, dass in Bayern monatlich alle abgeschoben würden, bei denen es eine Grundlage gebe. „In NRW wird konsequent abgeschoben“, sagte auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD).

In Berlin wurden im ersten Quartal 521 Menschen abgeschoben

Auch wenn die Bundesländer sich Belehrungen vom Bund verbitten, rechnen sie doch ebenfalls mit einem Anstieg der Abschiebungen in diesem Jahr. Eine Verdoppelung der Zahlen sei für Berlin „absolut realistisch“, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU). Berlin arbeite konsequent daran, die Abschiebezahlen zu erhöhen. Dies sei angesichts der Lage „auch geboten“, betonte der Innensenator. Im Jahr 2015 wurden nach Henkels Angaben in Berlin insgesamt 806 Menschen abgeschoben, im ersten Quartal 2016 seien es bereits 521 gewesen.

Länder fordern schnellere Asylentscheidungen

Übereinstimmend mahnen die Länder zügigere Asylverfahren an. Wie viele Menschen tatsächlich in ihre Heimat zurückkehren müssten, hänge hauptsächlich von den Asylentscheidungen des Bamf ab, sagte Jäger. Die jetzt vom Bund vorgelegten Zahlen zeigten aber, dass die Asylverfahren immer noch zu lange dauerten und der Aktenstau beim Bundesamt weiter wachse. Zuletzt stieg die Zahl der unerledigten Asylanträge auf mehr als 400 000. Der hessische CDU-Innenminister Beuth kritisierte, der Bund trage die Verantwortung für die völlig unzureichende personelle Ausstattung der Flüchtlingsbehörde.

Probleme bei Abschiebungen können sich dann ergeben, wenn die jeweiligen Herkunftsländer sich weigern, jemanden aufzunehmen, der beispielsweise keine Personaldokumente hat. Deshalb verhandelt Deutschland mit einzelnen Ländern über Rückführungsabkommen. Derzeit stehen Gespräche mit Afghanistan bevor – nach Syrien und dem Irak eines der Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern. Die afghanische Regierung verkündete am Wochenende Fortschritte in der Arbeit an einem gemeinsamen Abkommen. Bis dieses unterzeichnet sei, werde Afghanistan aber keine Abschiebungen dulden, machte Flüchtlingsminister Said Hussain Alemi Balkhi deutlich.

Die Zahl der freiwilligen Ausreisen überwiegt

Auch wenn in Deutschland die Zahl der Abschiebungen steigt, überwiegt doch die Zahl der freiwilligen Ausreisen. „Immer mehr Menschen nutzen dieses Angebot“, sagt NRW-Innenminister Jäger. 2015 seien rund 11 500 Menschen aus NRW ausgereist, von ihnen hätten gut 7800 Geld aus humanitären Förderprogrammen erhalten. Aus diesen Programmen werden in der Regel Reisekosten finanziert und manchmal auch finanziellen Starthilfen für die Rückkehr. Grünen-Chefin Simone Peter sagte, freiwillige Ausreisen hätten auch in der EU-Rückführungsrichtlinie eindeutig den Vorrang. „Mehr Zwangsabschiebungen sind nicht zielführend“, sagte sie dem Tagesspiegel. In vielen Bundesländern griffen Rückkehrhilfen und -beratung bereits erfolgreicher als Abschiebungen.

Grünen-Chefin Peter: Freiwillige Ausreisen sind humaner und meist auch kostengünstiger

Im Bundesvergleich liegt Rheinland-Pfalz auf einem der vorderen Plätze: In den ersten drei Monaten diesen Jahres reisten 1731 Personen freiwillig aus, nur 152 mussten abgeschoben werden, sagte die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt (Grüne). Eine spezielle Rückkehrberatung gibt es hier nicht nur für abgelehnte Asylbewerber, sondern auch für Bewerber aus Ländern mit geringen Bleibechancen, wie etwa den Balkanstaaten. Nach Ansicht von Grünen-Chefin Peter sind freiwillige Ausreisen nicht nur „humaner“, sondern auch finanziell für die Länder meist günstiger als Zwangsmaßnahmen. Ziel müsse es sein, „gemeinsam mit den Menschen zu überlegen, welche Möglichkeiten sie in ihrem Heimatland haben“. (mit dpa)

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