Kritik an Laschet wächst: Altmaier fordert personelle Neuaufstellung der CDU
Armin Laschet will trotz des Wahldebakels eine Regierung bilden. Nicht nur der Wirtschaftsminister aber rät zu mehr Demut. Der Rückhalt für Laschet bröckelt.
In der Union wächst der Widerstand gegen die Strategie von Kanzlerkandidat Armin Laschet, trotz der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl auf Sondierungen mit Grünen und FDP zu setzen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) empfiehlt seiner Partei nach dem Wahldebakel eine „Portion Demut“.
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„Wir haben eine krachende Niederlage erlitten. Wir haben viele Wechselwähler verloren. Das muss dann auch unser weiteres Verhalten und unsere Aufstellung für die kommende Zeit bestimmen“, sagte Altmaier der „Rheinischen Post“. „Wir müssen das Signal der Bürgerinnen und Bürger hören. Ich empfehle uns sehr eine Portion Demut.“
Er hätte sich einen klaren Regierungsauftrag für die Union gewünscht, sagte Altmaier. „Das ist jetzt schwieriger. Deshalb müssen wir zügig über die inhaltliche und personelle Aufstellung der CDU für die Zukunft sprechen.“
Auf die Frage, ob man aus dem historisch schlechtesten Wahlergebnis der Union einen Regierungsauftrag ableiten könne, sagte Altmaier: „Wir werden uns Gesprächen nicht verweigern. Es gibt mehrere mögliche Regierungskonstellationen. Deshalb wäre es falsch, etwas auszuschließen.“
Altmaier hatte sich im Ringen um die Unions-Kanzlerkandidatur zwischen CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder im Frühjahr für Söder stark gemacht. Jetzt sagte er: „Es ist nicht schön, wenn man am Ende sieht, dass die eigenen Befürchtungen von der Realität noch übertroffen wurden.“
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Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann verlangte: „Wir sollten jetzt demütig und respektvoll den Wählerwillen annehmen, mit Anstand und Haltung. Es war Veränderung gewollt.“ Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier unterstrich: „Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung.“ Junge-Union-Chef Tilman Kuban sagte: „Wir haben die Wahl verloren. Punkt.“ Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.
Wenn die Verhandlungen mit Grünen und FDP scheitern
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fordert eine Personaldebatte in der CDU für den Fall, dass die Verhandlungen mit Grünen und FDP scheitern. Nach einem solchen Wahlergebnis könne man nicht „Weiter so“ sagen, sagte er der Funke Mediengruppe. „Aber die Personaldebatte darüber sollte man dann führen, wenn wir wissen, dass ein Jamaika-Bündnis keine Chance hat.“
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In der Union brodelt es, vereinzelt wurden bereits Rufe nach Laschets Rückzug laut. Obwohl die Union auf 24,1 Prozent abstürzte und die SPD mit Olaf Scholz stärkste Partei wurde, hatte der Kanzlerkandidat der Union noch am Wahlabend bekräftigt, dass er eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen anstrebt - mit denen auch die SPD regieren möchte. Die Sozialdemokraten leiten aus dem Ergebnis von 25,7 Prozent einen klaren Wählerauftrag ab.
Scholz will rasch eine Regierung bilden, er sieht genügend Gemeinsamkeiten mit Grünen und FDP. „Es gibt ja Schnittmengen“, betonte er am Montagabend im ZDF. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte, das Land sehne sich nach den Jahren der großen Koalition nach einem neuen Aufbruch. Dreierbündnisse seien „nicht nur einfach, aber es kann eben auch das Momentum dafür geben, Dinge wirklich anders zu machen“. FDP-Generalsekretär Volker Wissing betonte: „Am Ende muss man sich auf ein Konzept verständigen, das für das Land einen Mehrwert bringt.“
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Nach „Spiegel“-Informationen haben sich Grüne und FDP auf ein erstes Treffen am Mittwoch verständigt. FDP-Chef Christian Lindner hatte noch am Wahlabend vorgeschlagen, dass sich beide Parteien vorab zusammensetzen, um Schnittmengen auszuloten. Die SPD forderte Laschet auf, auf Sondierungen zu verzichten: „Niemand will Armin Laschet als Kanzler, und ich hoffe, dass er das in den nächsten Tagen auch realisiert“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Sender RTL.
Nach einer Civey-Umfrage ist tatsächlich eine große Mehrheit der Deutschen dagegen, dass Laschet versuchen will, eine Regierung zu bilden. 71 Prozent der Bürger halten das für eindeutig oder zumindest eher falsch, wie die repräsentative Befragung für die „Augsburger Allgemeine“ ergab. Nur 22 Prozent der 5031 online Befragten befürworteten einen solchen Schritt.
Ärger um Wahl des Fraktionsvorsitzenden
An diesem Dienstag kommen die neuen Fraktionen von SPD, Union, Grünen und Linken zu ersten Beratungen zusammen. Bei der konstituierenden Sitzung der stark geschrumpften Unionsfraktion könnten schon erste Weichen gestellt werden. Auf der Tagesordnung steht auch die Neuwahl des Fraktionschefs, die für politischen Zündstoff sorgen könnte.
Laschet hatte am Montag angekündigt, er wolle gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder vorschlagen, dass der bisherige Vorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) „in der Phase dieser Koalitionsverhandlungen“ Fraktionschef sein solle. Dies sorgte für Unmut bei Brinkhaus, der sich wie üblich für ein Jahr wählen lassen wollte. In dem Fall fürchten Mitglieder der CDU-Führung Kampfkandidaturen um den Posten. Hintergrund: Sollte es Laschet nicht gelingen, eine Jamaika-Koalition zu bilden und die Union in der Opposition landen, wäre der Posten des Fraktionsvorsitzenden einer der mächtigsten in der Union.
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Söder erklärte am Montagabend in der ARD, mit Brinkhaus habe die CSU „sehr gute Erfahrungen“ gemacht. „Es gäbe auch Andere, aber das wäre eine Option“, sagte er. Möglicherweise werde es einen gemeinsamen Vorschlag beider Parteivorsitzenden geben. CDU-Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen plädierte dafür, die Fraktionsführung erst später zu bestimmen. Über das Wahlergebnis müsse erst einmal diskutiert werden, bevor sofort personal- und machtpolitisch Pflöcke eingeschlagen würden, sagte er in der ARD.
Laschet hatte vor der Wahl erklärt, er gehe „ohne Rückfahrkarte“ nach Berlin - auch wenn er nicht Kanzler werde. Es wird erwartet, dass er bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober Ministerpräsident in NRW bleibt. Die Landes-CDU will bis Ende der nächsten Woche die Weichen für die Nachfolge stellen.
Eine personelle Erneuerung zeichnet sich auch bei der CDU in Rheinland-Pfalz ab. Die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner will bei der Vorstandswahl am 20. November nicht mehr kandidieren, wie sie am Montagabend mitteilte. Klöckner hatte die Landes-CDU als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl geführt, unterlag im Kampf um das Direktmandat, kehrt aber über die Landesliste in den Bundestag zurück. (dpa)