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Pablo Picasso hat mit seinem Bild "Guernica" dafür gesorgt, dass der Angriff auf die Kleinstadt und ihre Menschen unvergessen ist.
© AFP

80 Jahre Bombardierung von Guernica: Als der technische Vernichtungskrieg gegen Zivilisten begann

Gezielt die wehrlose Bevölkerung bombardieren, gab es bis zum Spanischen Bürgerkrieg nicht. Die Zerstörung der baskischen Stadt Guernica leitete eine grausige Wende ein, die aktuell im syrischen Aleppo zu besichtigen ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Während des Spanischen Bürgerkriegs wurde das baskische Städtchen Guernica von der deutschen Luftwaffe zerstört. Zur Unterstützung der gegen die spanische Republik putschenden Truppen unter General Franco hatte Hitler 6500 Luftwaffensoldaten per Schiff nach Spanien geschickt, getarnt als „Touristen“ der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF). Sie bildeten die „Legion Condor“, gemeinsam mit italienischen Luftstreitkräften bombardierten sie im Frühjahr 1937 den Norden Spaniens, um den Widerstand der republikanischen Bevölkerung zu brechen.

Den schlimmsten Angriff flogen die Bomber aus neuester Produktion am 26. April auf das Städtchen Guernica, die uralte Hauptstadt des Baskenlandes. Im exakt geplanten Wechsel von Bombern und Jagdflugzeugen, dem Abwurf von Brand- und Sprengbomben wie dem MG-Feuer von Tieffliegern wurde Gernika – so die baskische Schreibweise – zu drei Vierteln zerstört, wohl 500 der 6000 Einwohner kamen ums Leben.

Guernica wurde zum Symbol, der Name zum Synonym für den Vernichtungskrieg gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung – das, was die westlichen Alliierten später „moral bombing“ nannten und in furchtbarer Verstärkung gegen seine deutschen Urheber richteten. Guernica war überhaupt kein militärstrategisches Ziel: Geprobt wurde vielmehr das Flächenbombardement mit maximalen Verlusten der Zivilbevölkerung. Was im Baskenland mit überlegener Technik einstudiert wurde, diente als Richtschnur für die Bombardements im folgenden Weltkrieg, für die Angriffe auf Warschau, Rotterdam und Coventry, nicht zu vergessen das Niederbrennen russischer Städte mit ihren Holzhäusern beim Einmarsch in die Sowjetunion.

Der Bunker wurde zum Sinnbild der „modernen“ Kriegsführung

Guernica als Symbol des Vernichtungskrieges wurde vor allem durch das Gemälde von Pablo Picasso weltberühmt, das Wandbild für den Pavillon der spanischen Republik bei der Weltausstellung von Paris im Sommer desselben Jahres 1937. Verzweifelt gereckte Arme, brüllende Tiere, erhellt von einer nackten Glühbirne, diesem Lebenslicht des technischen Zeitalters – es ist ein Kellerraum, den Picasso vorstellt, der letzte Rückzugsort der wehrlosen Zivilbevölkerung. Die Täter bleiben unsichtbar.

Der Bunker wurde zum Sinnbild der „modernen“ Kriegsführung. Doch wo in der Gegenwart Kriege aus der Luft geführt werden, fehlt es genau daran: Die Zivilbevölkerung ist schutzlos wie eh und je. Die Bilder aus Syrien, die den Horror der Angriffe auf Wohnviertel zeigen, die zynische Taktik, Häuser und ihre Bewohner als „Schutzschilde“ auszugeben und die Todesangst der Opfer als Mittel der Kriegsführung zu nutzen – all das war 1937 bereits vorgeprägt. Die Welt ist, allen Resolutionen und Beteuerungen zum Trotz, keinen Deut besser geworden.

Picasso hat der welthistorischen Dimension der später um ein Vielfaches übertroffenen Zerstörung Guernicas, bis hin zum Atompilz über Hiroshima, Ausdruck gegeben. Die kleine Stadt ist der Ort, an dem der technische Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung begann, heute vor 80 Jahren.

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