Interview mit Tochter eines NSU-Opfers: "Allzu große Hoffnungen habe ich nicht"
Die mögliche Einlassung von Beate Zschäpe kommt für Gamze Kubasik zu spät. Im Interview erklärt die Tochter des NSU-Mordopfers Mehmet Kubasik, warum sie vom Jahrhundert-Prozess kaum noch Antworten erwartet.
Kommen Sie morgen zur erwarteten Aussage von Frau Zschäpe?
Ich werde es so kurzfristig nicht organisieren können, nach München zu kommen. Wenn Zschäpe wirklich gewollt hätte, dass wir Nebenkläger ihr zuhören, dann hätte ihr Anwalt das auch früher ankündigen können. Außerdem will Sie ja unsere Fragen sowieso nicht beantworten.
Was halten Sie davon, dass Zschäpe nach zweieinhalb Jahren Schweigen im Prozess sich jetzt doch noch einlassen will?
Ich weiß nicht, ob das jetzt noch Sinn macht. Warum macht Sie das erst jetzt? Warum hat Sie dann solange nichts gesagt und uns alle mit unseren quälenden Fragen ohne Antworten gelassen. Ich befürchte, Sie will damit nur ihre eigene Haut retten, ohne dass es endlich ehrliche Erklärungen für den Mord an meinem Vater und die vielen anderen Morde und Anschläge gibt. Dafür spricht auch, dass Sie es erst so kurz vorher mitgeteilt hat, dass viele nicht kommen können und sie auch keine Fragen von uns beantworten will.
Was erwarten oder erhoffen Sie sich von der Einlassung?
Ich erwarte nicht viel, weil ich nicht glaube, dass diese Frau uns bei der Aufklärung darüber, was wirklich passiert ist und wer noch alles mitgeholfen hat, helfen will. Natürlich bin ich neugierig, was sie jetzt sagen will und hoffe darauf, endlich Antworten zu bekommen. Ich will wissen, wer - vor allem in Dortmund - an dem Mord beteiligt war. Wie kamen die auf meinen Vater und unseren Kiosk? Wer war noch beim NSU? Was wussten die Geheimdienste und ihre Spitzel und warum wurden die Morde nicht verhindert? Wahrscheinlich könnte Zschäpe Antworten geben. Allzu große Hoffnung habe ich darauf nicht.
Was würde es für Sie bedeuten, wenn Zschäpe Reue äußert?
Ich weiß nicht, was mir das bedeuten würde. Es wäre aber nach über zwei Jahren Prozess und 4 Jahre nachdem das Ganze aufgeflogen ist, reichlich spät.
Wollen Sie überhaupt nochmal zum Prozess kommen?
Ich werde sicher noch einmal kommen. Es ist aber immer kompliziert, das alles zu organisieren, was auch ganz persönliche Gründe hat. Ich halte mich aber immer auf dem Laufenden. Nur weil ich nicht jeden Tag vor Ort sein kann, heißt das nicht, dass ich den Prozess nicht die ganze Zeit verfolgen würde. Mich beschäftigt das jeden Tag.
Wie ertragen Sie es, dass der Prozess so lange dauert?
Klar möchte ich, dass endlich ein Urteil fällt und finde es unerträglich, wenn lügende Nazis durch ihre Aussagen den Prozess in die Länge ziehen. Abschließen werden ich aber - wenn überhaupt - nur dann, wenn auch meine Fragen beantwortet werden können.
Das Interview führte Frank Jansen.
Alle Ereignisse des 143. Prozesstages finden Sie hier.
Die Chronik des gesamten NSU-Prozesses können Sie hier nachlesen.