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Den bundesweit rund 2,3 Millionen Kindern von Alleinerziehenden droht deutlich häufiger Armut als ihren Altersgenossen in Paarfamilien.
© dpa

Bertelsmann-Studie über Armut: Alleinerziehende sind übersehene Helden des Alltags

Alleinerziehende sind besonders oft von Armut bedroht. Staatliche Unterstützung ist nötig. Doch hier spiegelt sich auch eine Gesellschaftsentwicklung, die nicht allein mit Geld zu stoppen ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Armin Lehmann

Wir wollen viel. Alles erscheint uns möglich. Wir wollen berufliche Erfüllung und materiellen Wohlstand, wir wollen individuelle Freiheiten und romantische Beziehungen. Persönliches Glück, familiäre Erfüllung. Doch wenn etwas schiefläuft im Leben, dann wollen wir vor allem – mehr staatliche Unterstützung. Um nicht falsch verstanden zu werden: Staatliche Alimentation ist notwendige und selbstverständliche Aufgabe eines demokratisch verfassten Gemeinwesens. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass Geld allein gesellschaftliche Entwicklungen stoppen oder umkehren kann.

Seit Jahren wissen wir, dass es immer mehr alleinerziehende Menschen in Deutschland gibt, zu knapp 90 Prozent sind das Frauen, und dass das Armutsrisiko für sie und ihre Kinder wächst. Arbeit und Erziehung sind schon für Paare eine große Herausforderung, viele Beziehungen gehen daran kaputt. Alleinerziehende leisten dementsprechend viel mehr als Paare. Alleinerziehende sind übersehene Helden des Alltags.

Und man kann auch sehr genau sagen, was fehlt: in erster Linie Geld. Knapp die Hälfte der 1,6 Millionen Alleinerziehenden bekommen keinen Unterhalt vom ehemaligen Partner; die Leistung des Staates wiederum, der Unterhaltsvorschuss, wird nur für Kinder bis zwölf Jahre und nur sechs Jahre am Stück gezahlt. Das geht an der Lebenswirklichkeit vorbei. Einerseits. Andererseits wächst die Zahl der Alleinstehenden mit Kindern stetig. 20 Prozent der Familienformen sind alleinerziehende Mütter oder Väter mit Kindern, in Berlin sind es mehr als 30 Prozent.

Was soll der Staat in Zukunft leisten? Er könnte die Steuerbenachteiligungen Alleinerziehender ändern, könnte Kindern von null bis 18 den Unterhaltsvorschuss zahlen und ihn nicht mehr zurückfordern. Löst sich dann das Problem? Oder steckt es weniger absolut im Monetären? Noch immer wünschen sich die meisten Deutschen feste Partnerschaften, gemeinsames dauerhaftes Glück. Mit Kindern! Gleichzeitig sinkt die Zahl der Familien weiter, egal ob sie in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft leben. Singlehaushalte nehmen dagegen zu, Scheidungen sowieso. Warum wird der Wunsch seltener Wirklichkeit? Weil nicht alles auf einmal zu haben ist. Wissen wir nicht, dass wir uns anlügen?

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