Griechenland: Alexis Tsipras hat gewonnen - und doch verloren
Das griechische Parlament hat dem Rettungspaket aus Brüssel zugestimmt. Aber politisch wird es im Land immer komplizierter - und für Ministerpräsident Alexis Tsipras richtig eng. Eine Analyse.
Alexis Tsipras hat am Mittwochabend gewonnen und gleichzeitig doch verloren. 38 Syriza-Abgeordnete haben nicht für die Einigung mit Brüssel gestimmt (32 dagegen, 6 Enthaltungen), eine Zahl, die den Regierungschef gleich auf mehreren Ebenen blockiert.
Das Ende der Regierung Tsipras?
Ganz so einfach ist es nicht. Denn auch die Syriza-Abgeordneten, die gegen die Maßnahmen gestimmt haben, fordern Tsipras auf, Ministerpräsident zu bleiben. Es sei lediglich ein Widerstand gegen die "aufgezwungene Erniedrigung" aus Brüssel, aber keinesfalls ein Votum gegen den eigenen Chef. Ein Paradox, wo doch der Parteichef das Programm unterschrieben hat, aber ein Argument, das darauf baut, dass dieser die "Pistole am Kopf hatte".
Eine echte Revolte ist es also (noch) nicht, aber für Tsipras macht das die Sache nicht leichter. Für seinen Kurs hat er nun keine Regierungsmehrheit mehr, die war mit nur 11 Stimmen ohnehin recht knapp, aber er hat gerade noch genug Stimmen, um als Minderheitsregierung auszuharren. Da seine abtrünnigen Abgeordneten auch bei den nächsten Gesetzen nicht zustimmen werden, ist Tsipras also nun auf die Zusammenarbeit mit der Opposition angewiesen. Liberale (To Potami), Sozialdemokraten (Pasok) und Konservative (Nea Dimokratia) stützen die Vereinbarungen mit Brüssel - obwohl sie Tsipras für den Deal trotzdem kritisieren. Er hätte alles schneller und leichter und besser haben können, wenn er von Anfang an besser mit den Gläubigern kooperiert hätte, so lautet ihr Hauptvorwurf. Eine Zusammenarbeit, die auf wackligen Beinen steht. Denn wenn Syriza dann einige seiner eigenen Wahlversprechen durchbringen will, ist es schwer fraglich, ob diese Opposition auch mitspielt.
Was also tun?
Für viele internationale (und einige griechische) Kommentatoren ist die Sache klar: Sie fordern eine Regierung der "Nationalen Einheit". Tsipras würde damit die drei Oppositionsparteien, die sich selbst "pro europäisch" nennen, mit in die Regierung aufnehmen. Gemeinsam, so das Argument, gäbe es eine breite gesellschaftliche Basis um das Abkommen umzusetzen. Allerdings gibt es auch gute Argumente gegen diesen Technokratentraum. Erstens: es kann sein, dass eine solche Regierung gut gegen den Klientelismus der jeweils anderen vorgehen kann.
Aber es kann eben auch sein, dass sie am Ende im Gegenteil alle Klientele bedienen will und damit alle Reformen stocken, weil sie niemandem wehtun dürfen. Zudem wird es in Griechenland wohl über kurz oder lang zu Neuwahlen kommen, wenn die Syriza-Partei so zerrissen bleibt. Und wie sollte bei einer "Einheitsregierung" dann den Menschen noch vermittelt werden, dass es Alternativen gibt, wenn alle großen Parteien für dieselben Regierungsentscheidungen stehen? Blieben als Protestmöglichkeiten noch die Kommunisten und die Rechtsextremen, eine Radikalisierung, die viele fürchten.
Was wird also passieren?
Vermutlich vorerst nicht viel. Es heißt, Tsipras werde vermutlich im Laufe des Tages eine moderate Regierungsumbildung vornehmen. Dabei wird er wohl Minister wie den für Energiemarkt zuständigen Panagiotis Lafazanis gegen Syriza-Politiker austauschen, die dem Kurs des Chefs folgen und mehr in der Mitte stehen. Lafazanis hatte mit "Nein" gestimmt, aber angedeutet, eigentlich gerne auf seinem Posten bleiben zu wollen, da er Tsipras als Ministerpräsident weiter stütze. Was dieser Umbau bedeutet, wird sich dann wohl in einer Woche zeigen. Am 22. Juli muss Tsipras die nächste Runde Gesetze durch das Parlament bringen. Wenn er bis dahin seine Partei nicht wieder stärker vereint und noch mehr Abgeordnete verliert oder die Opposition doch abtrünnig wird, dann könnte sich die Frage nach Konsequenzen neu stellen.
Darauf wird sicher Einfluss haben, ob die Europäische Zentralbank den Kurs in Griechenland goutiert und die Nothilfen erhöht und was die Finanzminister bezüglich der Brückenfinanzierung beschließen. Aus griechischer Sicht: ob die eigenen Opfer belohnt werden. Die aktuellen "Grexit-auf-Zeit"-Äußerungen vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble dürften eher weniger hilfreich sein, die Lage in Athen zu stabilisieren.
Für Alexis Tsipras ist es keine leichte Zeit. Genauso wenig für sein Land.