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Ende Gelände: Polizisten tragen in der Nacht zu Donnerstag eine Aktivistin vom Zeltplatz. Das Grundstück gehört RWE.
© Tim Wagner/imago

Hambacher Forst: Aktivisten wollen Kohle-Infrastruktur blockieren

Tausende Umweltschützer reisen ins Rheinische Revier. Für das Wochenende haben sie Proteste angekündigt. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor.

Die Proteste beim Hambacher Forst gehen in die nächste Runde. Für das Wochenende hat die Umweltschutz-Initiative „Ende Gelände“ zu Demonstrationen und „zivilem Ungehorsam“ im Rheinischen Revier aufgerufen. Tausende Aktivisten aus ganz Europa werden erwartet. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht Münster Anfang Oktober entschieden, dass der Energiekonzern RWE den Wald vorläufig nicht weiter roden darf. Dennoch wollen die Aktivisten protestieren. Ihnen geht es um mehr als den Wald: Sie fordern einen schnellen Kohleausstieg.

Polizei räumt Protestcamp

Die Vorbereitungen laufen bereits: Am Mittwoch errichteten etwa hundert Umweltschützer ein Protestcamp auf einem ehemaligen Sportplatz in Manheim-alt. Weil die Polizei diesen Ort nicht als Zeltplatz genehmigte und RWE als Eigentümer des Grundstücks Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs stellte, räumten Polizisten in der Nacht auf Donnerstag das Camp.

Die Polizei Aachen, die mit mehreren Hundertschaften vor Ort war, gibt an, dass ihre mehrfachen Forderungen an die Aktivisten, das Camp freiwillig zu verlassen, nur teilweise befolgt wurden. Daher löste sie nach eigenen Angaben mehrere Dutzend Personen aus Sitzblockaden und trug sie von der Wiese. Anschließend nahm sie die Personalien der etwa hundert Aktivisten auf und baute gemeinsam mit RWE-Mitarbeitern die großen Zelte, die für Workshops und die Infrastruktur des Protestcamps genutzt werden sollten, ab.

Zwei Aktivisten bauen ein Zelt auf dem ehemaligen Sportplatz in Manheim-alt auf.
Zwei Aktivisten bauen ein Zelt auf dem ehemaligen Sportplatz in Manheim-alt auf.
© Christophe Gateau/dpa

Karolina Drzewo, Pressesprecherin des Bündnisses, wirft der Polizei vor, nicht auf Verhandlungsangebote eingegangen zu sein. Sie bezeichnet das Verhalten der Polizisten als „reine Eskalationsstrategie“. Dabei war dem Bündnis bekannt, dass Aktionen auf der Fläche in Manheim-alt nicht genehmigt waren. Die Polizei hatte den Aktivisten als Ort für ihr Protestcamp eine Fläche bei Jülich zugewiesen, die etwa 30 Kilometer vom geplanten Demonstrationsort in der Nähe des Tagebaus entfernt liegt. Dem Bündnis war dieser Platz zu weit entfernt. „Protest muss dort möglich sein, wogegen protestiert wird“, sagt Drzewo, „sonst ist das so, als würde man gegen den Dieselskandal auf dem Fahrradweg demonstrieren.“

Häuserbesetzung in Manheim-alt

Daher begannen die Aktivisten mit dem Zeltaufbau in Manheim-alt, einem Stadtteil von Kerpen, dessen Fläche mittlerweile RWE gehört und auf der der Energiekonzern ab 2023 Kohle abbauen möchte. In Manheim-alt wohnen nur noch wenige hundert Menschen, der Ort wird nach Manheim-neu umgesiedelt. Einige Aktivisten nutzten am Donnerstagmorgen die leerstehenden Häuser und besetzten diese. Die Polizei räumte noch am selben Nachmittag.

Aktivisten besetzten am Donnerstag ein leerstehendes Haus in Manheim-alt.
Aktivisten besetzten am Donnerstag ein leerstehendes Haus in Manheim-alt.
© Tim Wagner/imago

Drzewo betont auf Anfrage des Tagesspiegels, dass die Besetzungen nicht von „Ende Gelände“ ausgingen. Erhard Nimtz, Pressesprecher der Stadt Kerpen, ist genervt von den Protesten: „Das Camp und die Häuserbesetzung waren illegal. Wenn die wieder im Stadtgebiet ihre Zelte aufschlagen, werden wir es der Polizei melden.“

Das ist wohl nicht mehr notwendig. Am Donnerstagvormittag teilte das Aktionsbündnis mit, in Stepprath, südlich von Düren, campen zu können. Der Eigentümer des Bio-Bauernhofs „Neuer Hof“ habe „Ende Gelände“ eine große Fläche für 4000 Aktivisten zur Verfügung gestellt. Die Umweltschützer haben am Donnerstag damit begonnen, auf dem privaten Grundstück Zelte und sanitäre Anlagen zu errichten. Das ist auch notwendig: Mehrere hundert Menschen sind schon mit Bussen angereist. Am Freitagmorgen soll außerdem ein ausgebuchter Sonderzug mit tausend Fahrgästen eintreffen, der aus Prag über Zwischenstopps in Dresden, Leipzig, Berlin und Hannover Düren kommt.

„Wir werden an verschiedenen Orten die Kohle-Infrastruktur blockieren.“

Die aktuelle Protestaktion von „Ende Gelände“ ist seit Monaten geplant. „Wir lassen uns nicht aufhalten“, sagt Karolina Drzewo und kündigt für Samstag an: „Wir werden an verschiedenen Orten mit unseren Körpern die Kohle-Infrastruktur blockieren.“ Mögliche Ziele seien Schienen zwischen Tagebau und Kraftwerk oder Bagger in der Kohlegrube. Die linken Klimaaktivisten sind für ihre spektakulären Aktionen bekannt. Mehrfach drangen sie zu Hunderten, in weiße Anzüge gekleidet, in den Tagebau ein. Sie nennen das „zivilen Ungehorsam“ und wollen so auf den Klimawandel aufmerksam machen.

Im Tagebau Hambach arbeiten Bergbaumaschinen. Die Aktivisten kündigten an, Kohle-Infrastruktur wie Bagger blockieren zu wollen.
Im Tagebau Hambach arbeiten Bergbaumaschinen. Die Aktivisten kündigten an, Kohle-Infrastruktur wie Bagger blockieren zu wollen.
© Federico Gambarini/dpa

Auf einer Packliste weist „Ende Gelände“ darauf hin, neben festen Schuhen und warmer Kleidung auch an „robuste Musikinstrumente“ und „Bücher, Kartenspiele etc. für lange Blockaden“ zu denken. Was sich anhört wie Utensilien für ein lustiges Ferienlager, wird durch zusätzliche Informationen mit Brisanz versehen: „Für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass die Polizei Tränengas oder Pfefferspray einsetzt, ist es besser, auf Fettcremes oder Schminke zu verzichten.“

Aachener Polizei bekommt Unterstützung aus dem Bundesgebiet

Nicht nur die Aktivisten, sondern auch die Polizisten bereiten sich auf einen Großeinsatz am Wochenende vor. „Wir werden versuchen, jegliche Vorbereitungen zu Straftaten zu unterbinden“, sagt Paul Kemen, Pressesprecher der Polizei Aachen. Die angekündigten Blockaden seien klare Straftaten. „Wir wissen noch nicht, wann und wo“, meinte Kemen zum Tagesspiegel. Die Polizei in Aachen bekäme Unterstützung von Kollegen aus dem Bundesgebiet. Trotzdem könne man nicht alle Aktionen von „Ende Gelände“ verhindern. Dafür sei der Tagebau zu groß. Kemen hat einen Wunsch für das Wochenende: „Protest ja – Gewalt nein.“

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