Reform des Finanzausgleichs: Akteure im Hintergrund
Ob Bund und Ländern die Reform des Finanzausgleichs gelingt, ist ungewiss. Viel Arbeit wäre dann umsonst gewesen. Wer aber hat sich diese Arbeit eigentlich gemacht?
Zum Finanzausgleich und dem ganzen Dickicht der Bund-Länder-Finanzen gibt es den schönen Spruch von Peer Steinbrück, wonach es nur drei Menschen gibt, die das alles wirklich verstanden hätten: Der eine aber sei tot, der zweite verrückt geworden, und der dritte habe alles vergessen. Ganz so schlimm ist es nicht. Aber die Gruppe derer, die sich wirklich auskennen, ist überschaubar. Die Reform des Finanzausgleichs, die sich in diesem Monat nach jahrelangem Palaver der Vollendung nähern könnte, haben die 16 Ministerpräsidenten früh zur Chefsache erklärt. Zum Entsetzen ihrer Finanzminister, die ihren Kabinettsvorständen nicht immer zutrauen, den Überblick zu wahren. Obwohl mancher dann schon gestaunt hat, wie kenntnisreich einige der 16 mit der Zeit geworden sind.
Im Hintergrund hatten sie natürlich ihre Sherpas, ihre vertrauten Helfer und Pfadfinder im Verhandlungsdschungel. Wer aber sind diejenigen, die bei dem Thema nicht verrückt werden, nichts vergessen und schon gar nicht tot umfallen? Die den überraschenden Kompromiss vom vorigen Dezember ausgehandelt haben, den alle Länder mittragen und der das Bundesfinanzministerium auf dem falschen Fuß erwischt hat? Weshalb dessen Chef bis heute grummelt und jetzt verkündet hat, vor der Wahl sehe er keine großen Chancen für eine Einigung mehr: "Die Länder haben anderthalb Jahre nichts getan und dann einen ineffektiven Vorschlag präsentiert, den der Bund akzeptieren soll. So geht man nicht miteinander um. Das hat keinen Sinn", sagt Wolfgang Schäuble.
Bayern, Hamburg, Sachsen, Saarland
Wer sind also die, die im Hintergrund möglicherweise umsonst gearbeitet haben? Hauptautor des Länderkompromisses ist wohl Wolfgang Förster. Er ist Haushaltsdirektor im saarländischen Finanzministerium. Ihm gelang es, einen Plan der „A-Länder“ (also der SPD-Ministerpräsidenten, angeführt vom Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz) so umzumodeln, dass er auch als Plan der „B-Länder“, also der Unions-Regierungschefs, durchgehen konnte. Förster wird von Insidern als der „kreative Kopf“ gesehen, der die verschiedenen Absichten in das gemeinsame Ländermodell destillierte. Auch die Stabstelle, die Ministerpräsident Stanislaw Tillich in seiner Staatskanzlei in Dresden eingerichtet hat, spielte dabei eine Rolle.
In Hamburg – Scholz war Hauptverhandler der Länder in den Gesprächen mit Schäuble – hatte Rolf Bösinger die Fäden im Hintergrund in der Hand. Er ist heute Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde der Hansestadt, davor war er Leiter des Planungsstabs in der Senatskanzlei, die in Hamburg gern als Scholzens Denkfabrik bezeichnet wird. Bösinger war schon enger Mitarbeiter von Scholz, als der SPD- Generalsekretär war und dann Bundesarbeitsminister. Das innere Trio in den Beamtenrunden komplettierte Horst Seehofers Mann: der Ministerialdirigent Winfried Brechmann, Leiter der Abteilung Gesetzgebung in der Münchener Staatskanzlei. Wobei auch, jedenfalls in den Anfängen der Gespräche, Brechmanns Vorgänger eine Rolle gespielt haben dürfte, der jetzige bayerische Bundesratsbevollmächtigte Anton Hofmann, von dem es heißt, er sei der einzige Jurist, dem Seehofer wirklich traut. Hofmann wiederum wird ein gutes Arbeitsverhältnis zu Volker Ratzmann nachgesagt, der mittlerweile baden-württembergischer Bundesratsbevollmächtigter ist. Hofmann und Ratzmann kennen sich aus der ersten Föderalismuskommission. Beide gelten als eher moderate Vertreter der „Südschiene“ – das dürfte dazu beigetragen haben, dass der Kompromiss trotz der zwischenzeitlich harschen Töne aus München gelang.
Nicht ganz im Film
Im Bundesfinanzministerium war es zuletzt der Leiter der Abteilung V, Matthias Haß, der unter dem zuständigen Staatssekretär Werner Gatzer jene Mischung aus Kooperationswilligkeit und Widerstand zu finden hatte, mit der Ressortchef Schäuble dann in die Chefgespräche ging. Dass der Unterabteilungsleiter für föderale Finanzbeziehungen im vorigen Jahr eine andere Aufgabe übernahm (und bis heute nicht ersetzt ist), hat vielleicht dazu beigetragen, dass das Ministerium in den entscheidenden Wochen zum Ende des vorigen Jahres hin nicht ganz im Film war.
Förster hat übrigens (zusammen mit Enrico Krönert aus Tillichs Staatskanzlei) im neuen „Jahrbuch für öffentliche Finanzen“ das Werk der Ministerpräsidenten vehement gegen die Kritiker verteidigt. Also auch gegen die Argumentation des Bundesfinanzministeriums und der Koalitionsspitzen im Bundestag. Dort sieht man eine starke zusätzliche Belastung des Bundes. Laut Förster ist die aber gar nicht so gravierend. 9,8 Milliarden Euro sind es im Ländermodell, da der Bund aber auch bei einer Weiterführung des alten Systems zahlen müsste, sind es tatsächlich nur 4,4 Milliarden mehr. Knapp die Hälfte der knapp zehn Milliarden Bundesmittel im Ländermodell fließt an die finanzschwachen Länder, also vor allem in den Osten. Den fördert aber der Bund bisher auch schon über eine Sonderzuweisung in Höhe von 2,1 Milliarden. Deren Einstellung wäre eine Verlagerung von Lasten auf die Länder. Den Solidaritätszuschlag nimmt der Bund aber nach 2019 weiter in voller Höhe allein ein.
Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 7. Juni 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels nachlesen.