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Die Zukunft der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin bleibt weiterhin im Dunkeln.
© dpa

Insolvente Fluggesellschaft: Air Berlin geht auch die Wähler an

Der Aufsichtsrat der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin wird erst nach dem 24. September die Richtung der Gespräche vorgeben – fürchtet die Politik den Unmut der Berliner?

Man muss kein Anhänger von Verschwörungstheorien sein, um da einen Zusammenhang zu vermuten: Der Gläubigerausschuss von Air Berlin wollte am Donnerstag nur eine Vorauswahl der Interessenten an einer kompletten oder teilweisen Übernahme der maroden Fluggesellschaft treffen. Der Aufsichtsrat hingegen wird erst am Montag, dem Tag nach der Bundestagswahl, beraten, mit wem weiter gesprochen werden soll. Am Tag nach der Wahl. Also dann, wenn der Bürger nicht mehr eine bestimmte Partei durch Stimmentzug für eine Entscheidung bestrafen kann, die ihm nicht gefällt. Fällt einem da nicht automatisch der – freilich in ganz anderem Zusammenhang gefallene – aber eben doch entlarvende Satz von Bundesinnenminister Thomas de Maizière ein, wonach es Fakten geben könnte, die den Bürger verunsichern?

Das, was man bisher über den Verkauf, oder besser die Zerschlagung von Air Berlin erfährt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit verunsichernd und eines bestimmt nicht: gut für die Berliner Wirtschaft, gut für die geschäftlichen, wissenschaftlichen und touristischen Kontakte der Berliner in die Welt, für die schnelle Erreichbarkeit anderer Kontinente, für Flüge dorthin ohne Umsteigen in Frankfurt, München, Düsseldorf, Köln, oder wo auch immer. Das Gegenteil ist der Fall. Lufthansachef Carsten Spohr will zu den 38 Mittelstreckenjets, die seine Airline bereits jetzt von Air Berlin angemietet hat, weitere 20 bis 40 Maschinen übernehmen.

Er sieht darüber hinaus, und das ist sehr wichtig, Beschäftigungschancen für 3000 der 8000 Mitarbeiter der insolventen Luftlinie. Dass der Senat unabhängig davon Mitarbeitern von Air Berlin Stellen in der Verwaltung anbieten will, ist ein weiteres gutes Signal für Teile einer verzweifelten Belegschaft. Auch Easyjet und Condor, die noch im Gespräch sind, werden nicht nur Slots, sondern auch Flugzeuge und Personal brauchen, um diese zu bedienen – auch das sind Chancen für Mitarbeiter.

Lufthansa hat an Air Berlins Langstreckenverbindungen kein Interesse

Weniger erfreulich ist, was Carsten Spohr über die Zukunft der Langstreckenverbindungen der Air Berlin in Richtung Asien und Nordamerika äußerte. Er habe an den verbliebenen sieben Maschinen kein Interesse, sagt er (zehn hat Air Berlin bereits dem Eigentümer zurückgeben müssen, die Flüge sind eingestellt). Damit sind auch bis zu 200 Piloten und Co-Piloten ohne Job. Die Lufthansa-Tochter Eurowings könnte 2018 vielleicht einige der Langstrecken ab Berlin anbieten, fügt er hinzu.

Bislang fliegt dieses Unternehmen interkontinental aber nur von Köln, und denkt über ein erweitertes Angebot ab Düsseldorf oder München nach. Und da soll Platz für Berlin sein, wo die Lufthansa selbst vor Jahren ihre USA-Verbindungen ab Tegel nach kurzem Testlauf einstellte? Die Ausgangslage aber hat sich seitdem verändert. Es gibt hier inzwischen viele Menschen, die beruflich nach Amerika und Asien unterwegs, die bereit sind, Business zu buchen und damit die Verbindungen für die Airlines lukrativer zu machen.

Aber warum konzentriert sich fast alles auf Lufthansa? Was ist mit dem Angebot von Hans Rudolf Wöhrl? Was ist mit der Muttergesellschaft von British Airways, die Interesse an Teilen Air Berlins hat? Die Engländer könnten durchaus ein Partner sein, nur dürfen das Verkehrs- und das Wirtschaftsministerium nicht ausschließlich Lufthansa-fixiert denken. Und auch die Berliner Politik muss sich klar positionieren. Muss sagen, dass der Erhalt der Arbeitsplätze wichtig ist, die internationale Anbindung der Stadt aber nicht zweitrangig. Die Hauptstadt einer der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt nicht direkt erreichbar? Das wäre kein schlechter Witz, sondern Indiz für planerisches und politisches Versagen. Und wenn die Entscheidungen aus durchsichtigen Gründen schon nicht vor dem Wahltag fallen – das Nachdenken ist damit vor dem 24. September ja nicht verboten.

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