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„Wende 2.0“: Wegen solcher Slogans werfen frühere DDR-Oppositionelle der AfD Missbrauch der friedlichen Revolution 1989 vor.
© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB
Update

Erklärung von DDR-Bürgerrechtlern: „AfD missbraucht friedliche Revolution“

„Nicht mit uns“: Mehr als 100 ehemalige DDR-Oppositionelle wie Marianne Birthler und Werner Schulz werfen der AfD die Verbreitung einer „Geschichtslüge“ vor.

Schon länger stören sich Historiker und Politiker an den Wahlkampf-Slogans der AfD im Osten. Die Partei macht derzeit mit Parolen wie „Vollende die Wende“, „Werde Bürgerrechtler“ oder „Friedliche Revolution an der Wahlurne“ Stimmung in Sachsen und Brandenburg. Die Kritik: Die AfD erwecke den Eindruck, als stünde sie in der Tradition der friedlichen Revolution von 1989, bei der die DDR-Bürger schließlich die Wende herbeiführten.

Jetzt werfen mehr als 100 DDR-Bürgerrechtler und Ostdeutsche der AfD in einer gemeinsamen Erklärung Missbrauch der friedlichen Revolution für ihren Wahlkampf vor. Mit Parolen wie „Vollende die Wende“ unterstelle die AfD, die Revolution von 1989 sei nicht erfolgreich gewesen und behaupte zugleich, in der Bundesrepublik herrschten heute ähnliche Verhältnisse wie in der DDR, heißt es in der am Dienstag in Berlin veröffentlichen Erklärung unter dem Titel „Nicht mit uns: Gegen den Missbrauch der Friedlichen Revolution 1989 im Wahlkampf“.

Damit verbreite die Partei eine „Geschichtslüge“. „Die DDR war eine kommunistische Diktatur, und die Bundesrepublik ist eine freiheitliche Demokratie“, heißt es in der Erklärung. Wer diese Unterschiede nicht anerkenne, verharmlose die SED-Diktatur: „Deutschland braucht keine Revolution 2.0, wir werden nicht unterdrückt, wie es die Staatssicherheit im Auftrag der SED praktizierte. Wir lehnen Parolen wie: 'Hol Dir Dein Land zurück - vollende die Wende!', die etwa die Brandenburger AfD im Wahlkampf einsetzt, ab. Das ist bereits unser Land!“

„Perfide Verdrehung der Geschichte“

Zu den Erstunterzeichner der Erklärung zählen die frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk und Frank Ebert von der Robert-Havemann-Gesellschaft, einem der wichtigsten Archive für DDR-Oppositionsgeschichte. Weitere Unterzeichner sind der Schauspieler Jan Josef Liefers, der früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger.

Vor einigen Tagen hatte bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Wahlkampfstrategie der AfD kritisiert. Es sei „eine perfide Verdrehung der Geschichte“, wenn politische Gruppierungen heute im Wahlkampf versuchten, „das Erbe von '89 für ihre Angstparolen zu stehlen“, sagte Steinmeier mit Blick auf den Wahlkampf der AfD, allerdings ohne sie direkt zu nennen.

Im Interview mit dem Tagesspiegel hatte außerdem Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben erklärt, es ärgere ihn, dass die AfD versuche, „sich auf eine friedliche Revolution draufzusetzen, für die viele hunderttausend Menschen Opfer gebracht haben“. Es wundere ihn, dass das so unwidersprochen bleibe. Senftleben hatte offenbar auf eine Aktion gewartet, wie sie jetzt von den mehr als 100 DDR-Bürgerrechtlern und -Oppositionellen kam.

Kalbitz stammt aus dem Westen

In deren Erklärung heißt es weiter: „Für die Demagogen der AfD sind wir 1989 nicht auf die Straße gegangen. Wir haben ein Land, in dem noch viel zu ändern und zu verbessern ist. Das ist in der Demokratie immer so. Demokratie ist anstrengend, weil viele Interessen um den besten Weg gemeinsam ringen.“ Um die Gesellschaft zu verbessern, brauche es keine Spalterpartei wie die AfD: „Spaltung hatten wir in Deutschland lange genug!“

Kritik erregte in den vergangenen Wochen auch, dass wichtige AfD-Akteure im Osten wie der brandenburgische Spitzenkandidat Andreas Kalbitz eigentlich aus dem Westen kommen und keine Erfahrungen mit der DDR-Diktatur gemacht haben, aber trotzdem suggerieren, sie hätten mit der friedlichen Revolution etwas zu tun gehabt. (mit epd)

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