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Die Rückseite des Liederbuchs zeigte ein Bild von Westerwelle und seinem Partner Michael Mronz.
© dpa

Trauerfeier für Guido Westerwelle: Abschied von einem Suchenden

Guido Westerwelle war im Leben treu – und deshalb kommen jetzt viele. Bei der Trauerfeier in Köln wagt Angela Merkel, seine Freundin, ein Geständnis.

Und da, im Herzen des Kleeblatts, das dieser sakrale Bau in seiner Mitte bildet, steht er. Ein Sarg in hellem Holz. Blumen überall, die ein fast fröhliches Bild zeichnen, gelbe Rosen, rote dazu, weiße Kränze, sorgsam drapiert, Farbenfrohes an der Stirnseite von links bis rechts. So wie die Blumen ist die Musik, volltönend, raumfüllend, als komme sie die Gänge entlang, grüßend, verweilend, davonziehend. Das alles war er, ist er, diese Musik und das, was sie sagen soll. Guido Westerwelle ist unter den Gästen.

Sankt Aposteln heißt die Kirche, in der die Trauerfeier stattfindet, und auch sie ist Programm, alles an ihr. Eine der zwölf großen romanischen Kirchen, eben nicht eine der allzu strengen gotischen; ausgestattet mit einem stolzen Turm, der aber nicht der höchste ist, dazu ausgerichtet gen Westen, wie der Petersdom in Rom, und mit einer Glocke, die dem Papst gewidmet ist.

Gelegen ist sie inmitten des heiligen Köln, am Neumarkt, einem pulsierenden Platz, wo früher, ganz früher, die Waren für den Hafen umgeschlagen wurden. Gar so fern ist der Rhein nicht mehr, an dem auch Westerwelles Heimatstadt liegt, Bonn.
Aposteln, Sendboten, geschickt, die Botschaft zu verkündigen – wer da nicht einen Augenblick, und sei es leise lächelnd, an Guido Westerwelle denkt! Den jungen, wohlgemerkt, der ältere hatte keine Mission mehr, war nicht mehr so sendungsbewusst, er wollte nur noch eines: leben. Wollte auch, dass die Menschen hinter das sehen, was sie zu sehen glaubten: einen immer Ehrgeizigen, Lauten, ausgestattet mit Gewissheiten. Sie sollten ihn – erkennen.

Das passende Stück aus der Bibel

Prälat Karl Jüsten, der ihn von Kindesbeinen an kennt, mit ihm im Sandkasten spielte, hat das passende Stück aus der Bibel zu ihm und für seine Familie ausgesucht, das Emmaus-Evangelium, die Geschichte von Zweien auf ihrem Weg, die Jesus nicht erkennen, bis er sich ihnen zu erkennen gibt. Lukas hat es aufgeschrieben. Und einerlei, ob nun zwölf Apostel oder mehr, ob 70 oder 72 Jünger – alles das zählt zu den Gedanken, die diese Bibelstelle nahebringt. Dem, der sich darauf einlässt, umwogt vom Rauschen der Musik. Das Rauschen des Verkehrs ist gottlob nicht zu hören. Viele sind gekommen, die Guido Westerwelle zum Abschied geleiten wollen, beileibe nicht alle Jünger und auch keine Apostel, nein, aber viele Freunde. Ihre Namen sagen nicht jedem etwas. Es sind Menschen, die seinen Weg kreuzten. Die er nicht vergessen hat. Die seinem geliebten Mann, Michael Mronz, und Guidos jüngerem Bruder Kai, der ihm von allen in der Familie am nächsten stand, mitsamt den Familien dieser beiden zur Seite stehen wollen. Denn Trost spendet die Gemeinschaft, die Trauer nistet im Alleinsein.

Etliche ganz Treue sind da

Wer nicht alles gekommen ist, Große, Bekannte, von Staat und Wirtschaft und aus der FDP, und etliche ganz Treue. Die sind es, die, angefangen vom Weg durch die Kirchentür bis hinein ins dunkle Kirchengestühl und am Ende wieder hinaus ins Licht der Sonne, Tränen vergießen. Ja, in den Bänken wird viel geweint.
Stets Verlass war auf ihn, und treu war er, sagt die Bundeskanzlerin, hier ganz Angela Merkel, mit besonderer Betonung. Auch sie hat bei diesem Wort mit Tränen und Rührung zu kämpfen. Oh ja, selbst sie hat er mitunter zur Weißglut getrieben, das gesteht sie heute – aber auch zum Lachen bringen können. Die öffentliche Cabriofahrt der beiden: Sie haben damals gelacht. Andere fanden es nur zum Lachen. Doch das hat ihnen beiden nichts ausgemacht. Ihre kurzen Mitteilungen auf dem Handy, ihre Telefonate, ihre Treffen bis zuletzt, nichts kam an die Öffentlichkeit, was nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte, sagt Angela Merkel. Um dann nur noch so viel zu verraten: dass es immer auch ums Leben ging. Nur am 8. November, dem Tag, als er sein Buch vorstellte, das zwischen zwei Leben, kamen sie nicht mehr zusammen. Er musste seine Kräfte sammeln, für den Abend, als ihn dann im Fernsehen Millionen sahen. Ihn kaum wiedererkannten in seiner sachten Art. Ein anderes Mal, sagten sich beide. Dazu kam es nicht mehr.

Die Rede, die Angela Merkel nie halten wollte

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft zur Trauerfeier für den ehemaligen Außenminister Guido Westerwelle.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft zur Trauerfeier.
© Federico Gambarini/dpa

Wie Merkel so redet, wie sie mit dünner Stimme sagt, dass dies hier eine Rede sei, die sie nie habe halten wollen, wird der Tod, von dem die Menschen mitten im Leben umfangen sind, fast greifbar. Kühl ist es hier, bei aller Wärme und Freude am Leben, die die Kirche in dieser Stunde ausstrahlen soll. Die Schwärze der Gewänder wird noch dunkler, die Mienen werden noch angestrengter. Dieser Abschied von einem so Jungen, der stets von Energie getrieben zu sein schien – er geht nah. Wie Guido Westerwelle einem plötzlich nahekommt.
Prälat Jüsten hat ihn gesehen, ihn erkannt als den Suchenden, der er war. Immer war. Ja, diese Erkenntnis erhellt diesen Raum: Ein sich Bekennender war er, ein Herausforderer und eine Herausforderung, das auch, aber vor allem einer, der stets auf dem Weg war. Er hat immer sich gesucht und dazu neue Wege in der Politik, für die Partei. Nie allein, nicht heute, nicht vorher, nicht beim Abschied. Aber immer vorneweg. Auf der Suche nach gelebter Freiheit. Dass er, ein evangelischer Christ, für seine Liebe zu einem Mann von einem katholischen Priester dieser Liebe gemäße, liebenswürdige Worte hören würde – das hätte ihm gefallen. Noch dazu in einer katholischen Basilika, die nicht der Dom ist, aber von einem Papst in ihrer Bedeutung für diese Kirche erhöht. Er, der liberale Demokrat, hätte wie befreit gelacht.
Nur hätten Guido und Michael das gemeinsam hören sollen. Michael Mronz' kurzer Blick auf das große Bildnis mit dem lächelnden Guido Westerwelle, das auf die Anwesenden schaut, hilft ihm nur schwer über diesen Moment hinweg. Der Schmerz verschattet sein Gesicht. Gemeinsam geht es sich leichter auf dem Lebensweg, und Umarmungen gehen auch vorüber.

Immer bereit zum rhetorischen Streit

Ob La Traviata von Verdi oder Cavalleria rusticana von Mascagni oder Beethovens Bonner Fidelio – die Musik beschreibt Guido Westerwelles Strecke. Abgelehnt zu werden, von manchen geächtet, so muss er sich gefühlt haben als Junge, als junger Mann. Bereit zum rhetorischen Streit, zur Auseinandersetzung mit jedermann, vor allem jeder vermeintlichen Autorität, dabei aber formvollendet, zumeist perfekt im Ton, erkämpft er sich später Respekt. Gefolgschaft auch. Bei den Jungen hatte er Jünger. Manche haben ihn erst später verstanden, menschlich und politisch. Doch je näher man ihm kam, desto unnahbarer konnte er sein, eine Eigenschaft, die er mit dem von ihm verehrten Weltmeister der Bonner Republik, Hans-Dietrich Genscher, teilte. Genscher, der gerade eben gestorben ist. Der ihm folgt.
Zum 50. von Angela, der Politikerfreundin, geht Guido ins Offene, sieht es alle Welt. Er suchte doch, vor allem, das Glück. Er hat es gefunden. In Michael Mronz. Von keinem Konservativen kommt ein böses Wort. Sie erweisen ihm Respekt, damals, heute in der Basilika. Alle, auch die Christlich-Sozialen, werden heute ihrem Namen gerecht. Nicht nur der Moment vereint. Von guten Mächten treu und still umgeben, wie die Gemeinde nach einem Text von Dietrich Bonhoeffer singt, fühlt auch die sich behütet und getröstet wunderbar.

Auch Showfreunde nehmen Abschied

Erwarten wir getrost, was kommen mag, sagt Bonhoeffers Text. Er hallt nach. Da kommen die Granden der Republik, der Präsident, einer seiner Vorgänger, der Bundestagspräsident, die Bundeskanzlerin, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, der Außenminister, die früheren Vizekanzler und Außenminister und Wirtschaftsminister und Parteivorsitzenden, die Fraktionschefs von einst und jetzt, alle ziehen sie vorbei, zu zweit. Freunde und Freundinnen, Vicky Leandros und Veronica Ferres und Sabine Christiansen und noch so viele andere Prominente mit blanken Augen. An der Spitze schreiten einträchtig und im Gleichklang die zwei Geistlichen, der evangelische Prälat Martin Dutzmann, der katholische Karl Jüsten. Als gingen sie gemeinsam für Guido Westerwelle und Michael Mronz. Ein letzter Weg.
Vorbei, ein dummes Wort. Da kommt der Sarg. Er liebte das Leben, sang Vicky Leandros eben noch für ihn, und so, wie dann bei Puccinis Turandot keiner schläft und bei Verdi der Gedanke fliegt, wie die Musik brausend den Raum erfüllt, ist Guido Westerwelle unter den Gästen.

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